Schön, Dich zu lesen. Du schreibst: "Ich finde Kinder sind doch totale Egoisten, weil sie noch gar kein Gefühl dafür haben, wie ihr Verhalten auf andere wirkt. Sie wollen etwas haben, dann nehmen sie es sich, egal ob es dem anderen weh tut, weil sie nicht wissen, dass es dem anderen vielleicht schmerzt. Das lernen sie doch erst, durch die Reaktion des gegenüber und das Verhalten in ihrem Umfeld. Somit würde ich sagen, Egoismus ist angeboren, um zu überleben."
Es ist mir Freude, dazu auch meine Gedanken aufzuschreiben. So habe ich mir erst einmal eine Kanne Tee gekocht, obwohl ich mit einem einzigen Satz die Diskussion darüber für mich beenden könnte, indem ich Hermann Hesse zitiere mit den Worten: „Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr!“ Doch wo bleibt da das Vergnügen, selbst seinen Gedanken über eine Sache nachzuhängen und die Befriedigung darüber, zu philosophieren und zu schreiben. Des Weiteren ist das Lesen und selbst schreiben über eine Sache ein gutes Hilfsmittel, den Boden immer weiter aufzulockern zur Wahrheit, die begrifflich kaum wiederzugeben ist. So finden wir ja gerade in Literatur, Zeitschriften, Kommentaren im Internet usw. so viele unterschiedliche Interpretationen und Meinungen zu ein und derselben Angelegenheit und das immer wieder. Das fängt an, dass jeder was anderes in die Begrifflichkeit packt und sie entsprechend interpretiert. Jeder hat andere Erkenntnisse und andere Erfahrungen und sich unterschiedliches Wissen angeeignet. Unter dem Begriff Ego findet man solche Aussagen, wie selbstsüchtig, ichbezogen, Eigenliebe, Ichsucht, Rücksichtslosigkeit, man will Vorteile für sich selbst erlangen, nur an sich denkend, narzistisch, von sich eingenommen usw.. Doch im Grunde steht Ego einfach für das Ich. Was Du geschrieben hast, kann ich voll unterstreichen und es ist die Wahrheit. So sinse, die Winzlinge und wir lieben sie trotzdem wie verrückt. So und jetzt sehe ich das so, wir lieben sie, weil wir diese Unschuld wahrnehmen, diese Reinheit, dieses unberechenbare, einfach diese Losgelöstheit von einem Ego, von einem Ich, das handelt und mit seinen Gedanken immer was im Schilde führt. Wenn Du Dich genauso verhalten würdest wie Dein Baby, dann würde Dein Baby nie denken, Du wärst egoistisch und berechenbar. Es würde Dein Verhalten zwar spüren, aber nicht bewerten und beurteilen und auch nicht von ich und du sprechen. Wir stecken hier einfach beide Unterschiedliches in den gleichen Begriff und beides ist trotzdem richtig. Es ist immer ein Paradoxon, wenn man mit dem Wort Wahrheit zu vermitteln versucht. Das kann es auch nicht sein. Das geht höchstens in der Mathematik. Da ist eben 1 + 1 = 2. Doch ich der Gefühlswelt und in der Welt der Gedanken und des Erlebens kann 1 + 1 = 3 sein. Es entsteht einfach was Drittes, wenn zwei verschiedenes zusammenkommen. Schau bei euch. Du plus dein Mann ergab was Drittes, was Neues, das ihr in die Welt gebracht habt. Die Natur läuft nach eigenen Gesetzen ab, um das Überleben der Art zu sichern, also ist das scheinbar egoistische Verhalten doch aus dem Ganzen entsprungen und für das Ganze von Nutzen. Das Baby verweilt in seiner Unschuld und tut nichts bewusst. Es will niemanden durch seine Handlungen verletzen. Es genießt nicht, Sieger über andere zu sein. Es fühlt sich weder über- noch unterlegen. Es erlebt einfach die Welt und beginnt seiner Natur entsprechend, diese zu erforschen. (Interessant ist auch, dass Kleinkinder anfangs immer in der dritten Person von sich sprechen). Je älter es wird, übernimmt es durch Nachahmung immer mehr die Verhaltensmuster, die es im außen erlebt. Das Ich-Bewusstsein entsteht immer mehr durch die Erfahrung des sich getrennt fühlens und das Unterscheidungsgefühl entwickelt sich und damit auch die Bewertung dessen was geschieht. Bis zur Bewusstwerdung und wie ich meine, Egolosigkeit durchläuft der Mensch viele Entwicklungsschritte. Ich denke, wenn der Mensch von Anfang an immer optimale Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten hätte, würde sein Ego klein sein und es müßte später nicht soviel an seiner Vernunft appelliert werden und gemaßregelt werden. Mangelgefühle und damit eine große Bedürftigkeit und Gier entstehen ja immer als Ersatzbefriedigung, weil die wahren Bedürfnisse nicht gelebt werden können als Kompensation. Ich möchte mal ein Zitat von Osho bringen, was er über das Ego schreibt:
„Das Ego ist ein Eisberg. Lass ihn schmelzen. Lass ihn dahinschmelzen in tiefer Liebe, so dass er sich auflöst und du eins wirst mit dem Ozean.“
Das meine ich bei so einem Baby. Es lebt noch in dem großen Ozean und in Symbiose mit allem was ist ohne Ich – Ego – Bewusstsein. Es weiß nichts davon. Selbst Du bleibst ist der Liebe zu Deinem Baby oft egolos. Du bist so mit ihr in Liebe verschmolzen und würdest es nicht in gut oder schlecht bewerten für irgendein Verhalten, das Dir missfällt. Das Verhalten vielleicht, aber nicht Dein Kind in gut oder schlecht. Du weißt um die Unschuld und spürst es. In Deiner Liebe zu Deinem Baby ist Dein Ego dann auch verschwunden, weil du es nicht spürst. Da bist Du Hingabe und Liebe. Es ist nicht da. Wo wahrhaft Liebe ist, ist kein Ego. Ein Freund sagte mal zu mir, dass ein Kind zu bekommen wie 20 Jahre Meditation sind und ich kann das bei Schwangeren oft sehen in welcher Schwingung sie plötzlich sind und welche lichtvollen Energien sie ausstrahlen. Das Baby erlebt sich noch nicht getrennt. Da ist noch kein Ego, das Schmerz verursacht. Wenn es Schmerzen hat, dann sind das reale Schmerzen. Es ist realer Hunger, der erfahren wird. Es steht ein reales Bedürfnis dahinter, das befriedigt werden will. Bei einem starken Ego kann jemand 3 Autos besitzen und alle fahren toll, doch da gerade ein neues auf den Markt gekommen ist, fängt das Ego an zu stacheln bis er alles daran setzt und bis hin zum burnout arbeitet nur um das Auto zu haben. Da kann jemand in einem gemütlichen schönen Häuschen wohnen und es geht ihm gut, doch plötzlich baut neben ihm jemand sich ein Haus, das doppelt so groß ist und dann noch mit Swimmingpool und großen tollen Garten. Bisher hatte nichts weh getan und man war zufrieden, doch nun sieht das Ego das und schon ist die Zufriedenheit dahin und es wird nachgesonnen, was man machen kann, um auch so ein Haus zu besitzen. Die Gedanken wirken ewig nach. Das Baby lebt im Moment und im nächsten spielt der vergangene keine Rolle mehr. Ohne Ego bliebe man zufrieden in seinem Häuschen. Man würde sich überhaupt nicht mit anderen Menschen und schon gar nicht deren Besitz vergleichen und sich selbst nicht bewerten und auch die anderen nicht an ihren Besitz messen. Es ginge immer um die Erfüllung realer Bedürfnisse, die wirklich Befriedigung und Erlösung verschaffen bzw. beeinflussen sie nicht das Wohlbefinden. Wenn das vierte Auto kommt, sehr schön, doch wenn nicht, dann ist es auch ok. Doch das Ego tut das. Das verursacht immer wieder Schmerzen. Es sagt jemand irgend was Hässliches zu Dir und schon sackst Du zusammen (das „Du“ ist nicht persönlich gemeint. Es geht nur um die Anschauung.) Dabei brauchen wir uns doch überhaupt nicht davon beeindrucken zu lassen. Unser Gefühl für uns selbst sollte nicht von dem Verhalten von anderen abhängig sein. Wenn es uns aus unserer Mitte reißt, sollten wir immer wieder bei uns selbst schauen, was da in Resonanz geht, damit wir es Stück für Stück auflösen können und die Resonanz sich ändert. So löst sich das verletzbare Ego Stück für Stück auf und damit die ganze Jagd, im Außen etwas verändern zu wollen. Das ändert sich dann Stück für Stück von selbst. Doch nochmal auf die Wahrheit zu kommen. Das ist wahr, was Du geschrieben hast und ich erkenne es auch als eine an, was die Begrifflichkeit anbelangt, wo Du es eingeordnet hast und meine, wo ich es eingeordnet habe. Was Du beschreibst ist Realität. Was die objektive unabhängige Wahrheit, die frei von unseren Begrifflichkeiten und Worten existiert und die sich auch nicht einfangen lässt, erfährt jeder immer tiefer und klarer in sich selbst. Sie liegt jenseits von Sender und Empfänger. Sie präsentiert sich in uns selbst, doch wir können sie uns nicht gegenseitig präsentieren, doch uns einander dafür inspirieren und uns gegenseitig nähren. Es bleibt alles relativ und als Abschluss noch etwas von Osho, weil es mir gefiel und Du Witze magst, auch wenn es kein Witz in dem Sinne ist. Er sagt aber auch was über Sender und Empfänger: „Karlchen erzählt seinem Großvater von dem großen Wissenschaftler Albert Einstein und dessen Relativitätstheorie. „Und was besagt diese Theorie?“ fragt ihn der Großvater. „Unsere Lehrerin sagt, dass nur ganz wenige Leute auf der Welt das verstehen können“ sagt der Junge. „Aber dann hat sie es uns erklärt: Relativität ist, wenn ein Mann eine Stunde neben einem hübschen Mädchen sitzt und es fühlt sich an wie eine Minute, und wenn er eine Minute auf einem heißen Ofen sitzt und es fühlt sich an wie eine Stunde. Das ist Relativitätstheorie.“ Opa schweigt und schüttelt dann bedächtig den Kopf. „Karlchen“, sagt er leise, „und davon kann dieser Einstein leben?“
Herzlichst Malina
„Alles Trennende innerhalb der Menschen beruht auf verschiedenen Glaubenssystemen und jeder Glaube ist falsch. Der Mensch ist für falsche Glaubenssätze geopfert worden. Es sind Glaubensinhalte politischer, gesellschaftlicher, religiöser Art, aber grundsätzlich ist ihnen allen eines gemeinsam: Sie unterdrücken die Suche nach der Wahrheit. Sie zwingen die Menschen, jeden Zweifel an den von der Gesellschaft propagierten Vorstellungen ins Unterbewusstsein zu verbannen. Die Gesellschaft lässt nicht zu, dass man sie infrage stellt…… Es ist eine eigenartige Erfahrung, wenn man erkennt, dass die Menschen sich wegen Fiktionen bekämpft haben. Wegen verschiedener Fiktionen – hinduistischer, christlicher, mohammedanischer Fiktionen -, die aber alle in ein und dieselbe Kategorie gehören. Sie alle machen das Gleiche mit dem Individuum, egal, wo es steht: Sie zerstören seine Integrität, machen seine Intelligenz zunichte“ S.288
„Wir brauchen einen Menschen, der ohne jedes religiöse Glaubenssystem, ohne jede politische Ideologie aufwächst. Seine Erziehung wird nur der Schärfung seiner Intelligenz dienen, damit er eines Tages seine eigene Wahrheit finden kann. Und denke daran: Eine Wahrheit, die nicht deine eigene ist, ist keine Wahrheit.“ S.289
Osho aus „Das Buch vom Ego“
Allegria-Verlag
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„Diese Identifikation ist das Ego. Wenn du mit gar nichts identifiziert bist – weder mit deinem Namen noch mit deiner Form noch mit sonst etwas – wo bleibt dann das Ego? Dann existierst du und gleichzeitig existierst du nicht. Dann existierst du in deiner absoluten Reinheit, aber ohne Ego.“ S.167
Osho aus „Das Buch vom Ego“
„In dem Moment, in dem wir unsere Verantwortung einem anderen in die Hand geben, verlieren wir unsere Seele. Und es gibt immer Leute, die gerne herrschen und anderen ihren Willen aufzwingen. Sie sind geistesgestört.“ S.253
Osho aus „Das Buch vom Ego“
"Das Ego des Menschen
ist der Ursprung all seiner Probleme, aller Kriege,
aller Konflikte, aller Eifersucht und allen Neides, aller Ängste
und Depressionen. Sich selbst
als Versager zu fühlen und
sich ständig mit anderen zu vergleichen -
das schmerzt jeden."
S.21
Osho
aus
"Das Buch vom Ego"
„Denn die Natur, so scheint es, weiß nichts von dieser Welt der Gegensätze, in der die Menschen leben. In der Natur wachsen keine echten Frösche und falschen Frösche heran, weder gibt es moralische Bäume noch unmoralische, weder richtige noch falsche Meere.“ S.30
Ken Wilber aus
Wege zum Selbst Goldmann Verlag 1991
„Es ist eine einfache Tatsache,
daß wir in einer Welt der Konflikte und Gegensätze leben, weil wir in einer Welt der Grenzen leben. Da jede Grenze auch eine Gefechtslinie ist, sieht die mißliche Lage des Menschen so aus: Je fester die Grenzen sind, desto erbitterter sind die Kämpfe.“ S. 35
Ken Wilber aus
Wege zum Selbst Goldmann Verlag 1991
" Alles, was man verändern will, muss man mit dem Licht tun, weil das Licht wirklich existiert. Die Dunkelheit existiert nicht, und mit etwas, das nicht existiert, kann man nichts machen. Das Ego existiert nicht; es ist eine nichtvorhandene Größe. Es ist die Abwesenheit von Bewusstheit, Wachheit. Du bist nicht bewusst, darum ist das Ego da, darum herrscht Dunkelheit.... Du lebst für etwas, was es gar nicht gibt., du opferst das, was ist, für etwas, das nicht ist….Das wirkliche Leben wird geopfert auf dem Altar des nicht vorhandenen Egos.“ S.413
Osho aus „Das Buch vom Ego“
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