Betrachtung zum "Hässlichen Entlein"

                                      und anderer Schönheiten


Lieber Michael,

 

Deine Sichtweise bzgl. der Motivation, Schönes zu schaffen, um schöne Gefühle zu erzeugen, weil die Berührung mit dem Schönen in uns nun einmal Schönes bewirkt, lockt mich, Dir dazu meine Sichtweise zu schreiben. Noch mehr jedoch Deine Sichtweise, dass jemand der Hässliches hervorbringt, vielleicht provozieren möchte gegen das Heile und dem anderen vielleicht zeigen möchte, dass er negative Gefühle hat und will diese hervorlocken.
Grundsätzlich denke ich schon, wir wollen ausdrücken, was wir in uns spüren, unser Wesen, unsere Herkunft und je mehr wir geheilt haben, desto stärker tritt das Schöne hervor und wird sichtbar und erfahrbar in der Welt.
Wer jedoch Hässliches hervorbringt, hat das Hässliche noch in sich. Wir drücken aus, was in uns ist.  Dass er nur provozieren will und dem anderen etwas zeigen will, ist eine faule Ausrede. So kann man auf Kosten anderer seine Hässlichkeit ausleben und sich dafür vielleicht noch auf die Schulter klopfen lassen. Ich finde das echt ekelhaft!

Niemand muss einem anderen seine negativen Gefühle zeigen und er tut und kann es auch nicht, denn er zeigt immer seine eigenen, denn sie sind etwas, die in jedem Moment entstehen.
Der geheilte Mensch würde in einem anderen immer nur seine Liebe entflammen, damit die positiven Gefühle erlebbar werden. In wahrer Liebe wird man sehend und das Negative schwimmt von alleine an die Oberfläche, um zu vergehen, ohne noch jemanden zu schaden.
Jemanden Hässliches zeigen, nährt das Hässliche!
Transformation geschieht ausschließlich durch Liebe.
Du schreibst auch, dass es Menschen gibt, die im Hässlichen Schönes sehen.
Wer im wirklich Hässlichen Schönes sieht, ist hässlich oder es ist garnicht hässlich.
Das hat nichts mit dem Frosch zu tun, der als hässlich bewertet wird und eben erst geküsst werden muss, damit er schön wird.
Das sind nur aufgedrückte Prägungen, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben.
Das „Hässliche Entlein“ ist eben auch nicht hässlich, sondern wird nur als hässlich bewertet.
Es strahlt auf die anderen nichts Vertrautes aus. Es gehört nicht zu Ihnen, also muss es verstoßen werden. Man hat ein Opfer gefunden, wo man seine eigenen negativen Gefühle ausleben kann.
Die „Masse“ mag nicht die, die aus der Masse austreten. Erst, wenn sie wieder weit genug weg sind, könnte das kippen, weil die Masse ja auch immer wieder Menschen braucht, die sie bewundern können. Sie brauchen nicht nur welche, die sie verdammen können, nein, sondern auch welche, die sie bewundern können.

Das „Hässliche Entlein“ fand sich eben selbst hässlich, weil es bemerkte, dass es anders aussieht als die anderen. Es fühlte sich nicht angenommen, war allein und fand sich damit nicht normal. Dazu hatte es die Bewertungen der anderen übernommen.
Es konnte sich nicht einordnen und die anderen konnten es auch nicht. So musste es als Außenseiter eben allein davon schwimmen und seinen Weg gehen. Auf diesem Weg erlebte es sehr viel von Hunger, Elend, Einsamkeit und Überlebenskampf bis hin, das ihm Freundlichkeit und Zuneigung geschenkt wurde und es von da an sich wohl fühlte, zu Kräften kam und gesundete.
So wuchs es heran, wurde prächtig, wobei es das nicht einmal selbst bemerkte. Erst, als es ins Wasser schaute und sein Spiegelbild erblickte, fand es sich prächtig und schön. So fand er auch endlich seinesgleichen und fühlte sich unter denen wohl und geborgen.
Ein Schwan ist nicht nur schön. Er hat eine majestätische Ausstrahlung und wirkt ästhetisch. Gut, sicher nicht in jeder Situation, doch wenn er sein Wesen ausstrahlt und lebt schon.
Du schreibst auch, dass die Ästhetik vordergründig mit dem Verstand zu tun hat.
Das ist für mich teilweise wahr. Das Schönheitsempfinden des Verstandes hat aus meiner Erfahrung heraus etwas Steriles und Kühles. Das gefällt mir auch manchmal, je nachdem, wie ich selbst vielleicht gerade drauf bin. Ein Kugelschreiber, ein Radio oder ein Auto, zum Beispiel können sehr ästhetisch aussehen. Eine Wohnung kann ästhetisch eingerichtet sein, doch das heißt noch nicht, dass ich mich darin wohlfühlen würde.
„Ästhetik“ ist ein schönes Wort. Es drückt etwas Vollendetes aus. Wenn das Schönheitsempfinden des Verstandes und das Schönheitsempfinden des Herzen in Harmonie etwas Verbindendes ausdrücken, dann ist das für mich ästhetisch und schön.
Wenn ich durch einen wilden Garten spazieren gehe, wo kein Mensch Hand angelegt hat, dann finde ich den mit höchster Wahrscheinlichkeit sehr schön, doch würde nie sagen, dieser sieht ästhetisch aus. Doch wenn jemand mit Herz und Verstand eine schöne Parkanlage schafft, dann fühle und erlebe ich auch, wie schön sie ist, doch kann gleichzeitig den Begriff „ästhetisch“ verwenden. Ästhetik hat sicher immer was mit Harmonie zu tun, die angenehm berührt und ist auf etwas Geschaffenes zurückzuführen.
Ästhetik ohne Verstand, ohne Vernunft, ohne Kultur, ohne Vorstellungen kann es nicht geben.
Natürlich können wir auch einen einzelnen Baum, der irgendwo prächtig hervorragt ästhetisch finden wie auch den Schwan, der aus dem hässlichen Entlein gewachsen. Ich betrachte eine Blume, wie vollendet sie dasteht, auch von mir aus in einem Wald.
Ein Hirsch, der majestätisch auf einer Wiese steht, kann ästhetisch wirken oder ein Mensch, der hoheitsvoll an seinem Schreibtisch sitzt und einen Brief liest. Die Tätigkeit und das Objekt und das Umfeld strahlen eine Einheit, eine Zusammengehörigkeit aus. Ästhetik ohne Harmonie ist nicht möglich.
So entspringt Ästhetik offensichtlich immer einer ordnenden Energie.
Ich denke auch, dass unser Gefühl das Entscheidende ist, ob wir etwas schön oder hässlich finden, doch ich würde es noch dahingehend weiterführen, dass das Gefühl uns sagt, was wir schön und hässliche finden. Es sagt etwas darüber aus, was in uns über schön und hässlich gespeichert ist.
Der Verstand wird immer mit angesprochen, wenn auf uns etwas wirkt, ob das nun ein Gegenstand ist, eine Situation, ein Wort, eine Geste usw.. Wenn ich ein Bild betrachte, finde ich es erst einmal schön oder nicht schön und dann kommt der Verstand. Ich denke, es gibt Menschen, die sich sehr stark von ihren Gefühlen abgeschnitten haben und übergehen damit die erste Botschaft, die aus dem Herzen kommt. Die lassen sofort ihre Verstandesprogrammierungen sprechen, was schön sein darf und was nicht. Diese Menschen bauen sich dann künstlich ein Gefühl nach Auswahl des Verstandes auf.
Das Problem des Verstandes ist sicherlich auch, dass er etwas Neues erst einmal nie wirklich schön finden kann. Er kann nur Vertrautes und Bekanntes schön oder hässlich finden, je nach Erfahrung.
Mindestens muss es vorher in seiner Vorstellung schon entstanden sein. Du schreibst es ja selbst, dass das Gefühl dann ausgelöst wird.
Der Verstand braucht immer erst Futter, um zu wissen, wie er was zu finden und zu bewerten hat.
Das Gefühl wird also in dem Falle zweitrangig ausgelöst, wenn man nicht aus dem reinen Herzensempfinden heraus lebt, wo sich die Verstandesbewertung nicht einmischen kann.
Als ich letzte Woche im Wald am Teich spazieren, fand ich dort  eine Menschenansammlung vor. Ich ging, um zu schauen, was da los ist. Frösche, jede Menge Frösche. Frösche über Frösche. Ich kann diese auch nicht schön finden. Ein Tier mit einem schönem Fell und grazilem Körper gefällt mir da ganz anders. Doch ein Frosch? Doch neben mir stand ein kleiner Junge mit einem Frosch in der Hand und streichelte ihn immerzu. Dann benetzte er ihn wieder im Wasser und hielt ihn weiter streichelnd in der Hand. Ich sagte zu ihm. „Du fasst den an?!“ und er streichelte ihn genüsslich weiter. Ein anderes kleines Kind wollte auch unbedingt einen haben und die Eltern verboten es ihm, diesen anzufassen.

So macht jedes Kind beizeiten die Erfahrung, was schön und was hässlich ist und das eigene Herzensempfinden wird durch Erziehung überlagert.

 

Herzliche Grüße an Dich :-)

Malina

 

 

 

 

„Jegliches Schöne ist schön
durch sich selbst und in sich vollendet,
so daß für ein Lob kein Raum in ihm ist.
Wird es doch durch Lob
weder schlechter noch besser.“

 

Marc Aurel

 

 "Natürlich weiß ich, daß  wir in einer Welt leben, in der Gefühle wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden."

 

Drunvalo Mechizedek
aus "Aus dem Herzen leben"
KOHA-Verlag

 

 

 

"Das Wissen um ihr inneres Königinsein verleiht einer Frau Kraft und Gelassenheit. Abwertungen und Lächerlichmachen können die Königin in uns nicht verletzen. Sie verliert dadurch nicht ihren inneren Wert, denn sie weiß, ihr innerster Wert ist nicht angreifbar. Das hilft ihr, die Verletzung anderer nicht anzunehmen, sondern bei ihnen zu lassen. Sie nimmt die Verletzung wahr, aber sie lässt sie nicht in sich eindringen. Sie weiß, wer das Königliche in sich selbst verloren hat, wird es anderen rauben oder neiden. Die Königin unterscheidet, wer das Problem hat, und sie entscheidet, wie sie darauf reagieren will. Sie ist selbstbestimmt, sie lässt sich nicht von Problemen des andren bestimmen. S.28

 

Anselm Grün und Linda Jarosch
aus "Königin und wilde Frau"dtv

 

 

"Der oder die Abwertende hat das Königreich in sich selbst verloren. Und warum sollten wird dem mehr Beachtung schenken als unserer eigenen Besonderheit?" S.30

 

Anselm Grün und Linda Jarosch
aus "Königin und wilde Frau"dtv

 

 

 

 

"Meine Brüder! keiner kann mehr Verantwortungsbewusstsein beweisen als eine Möwe, die ein höheres Ziel erkennt, die dem Ruf folgt und den Sinn des Lebens findet." S27

 

Richard Bach
aus "Möwe Jonathan"
Mohndruck R.;ohn GmbH

 

 

"Die weise Frau in uns führt uns wieder zu unseren weiblichen Wurzeln."S73

 

Anselm Grün und Linda Jarosch
aus "Königin und wilde Frau"dtv

 

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