Missbrauch

 

Liebe Beatrice,

 

Du fragst Dich nun, was geschehen ist, dass Dein Leben die Entwicklung nahm, die es genommen hat.
Liebe Beatrice, das ist das Mangelbewusstsein, das im Menschen steckt, woraus sich gegenseitiger Missbrauch auf allen Ebenen entwickelt und das alles unter dem Deckmantel der Liebe und des Wohlwollens.
Du musst mir nicht glauben, doch es ist so, solange der Mensch den Tod fürchtet, lebt er im Mangelbewusstsein.
Er will dem Gefühl des Todes ständig ausweichen. Dafür missbraucht er und lässt sich missbrauchen.
Doch vielleicht sollte ich erst einmal etwas schreiben, was ich darunter verstehe.
Sobald wir jemanden anderen unsere Willen aufdrücken wollen, auch ist es gut gemeint, so ist das Missbrauch. Sobald wir den Willen des anderen manipulieren, ihn lenken wollen, weil wir denken, er ist mit seinem Denken und Handeln nicht auf dem richtigen Weg oder den, den wir gerne hätten, dann ist das Missbrauch. Fünfundneunzig Prozent der in der Gesellschaft vollzogenen Handlungen beruhen auf Missbrauch. Die Menschen tun nur zu fünf Prozent die Dinge aus wahrhafter und reiner Liebe, also absichtslos aus dem Moment heraus, aus einem liebenden Herzen, das absolut frei von Erwartungen ist. Eine Handlung aus einem liebenden Herzen heraus bedeutet, dass nach der Handlung das Herz wieder vollkommen frei ist und auch keine Gedanken mehr an der Handlung hängen. Es wird keine Reaktion abgewartet. Es ist egal, ob eine kommt oder nicht. Die Handlung war richtig. Es war eine Handlung aus der Fülle heraus. Es wollte sich genau das in diesem Moment in der Welt so ausdrücken. Dein Liebesfluss bleibt davon unberührt.
Die Motivation für die meisten ihrer Handlungen entstehen aus dem Bedürfnis heraus, geliebt zu werden, Anerkennung zu bekommen, eine Reaktion bewirken zu wollen. Die meisten Handlungen der Menschen sind auf ein Ziel gerichtet. Die Gesellschaft unterstützt das kranke Verhalten der Menschen, denn für Spontanität ist in einer fest strukturierten Gesellschaft auch gar kein Platz.
Das zwanghafte Verhalten wird gefördert und damit die Liebesfähigkeit immer mehr abgetötet.
Die Seele zieht sich mehr und mehr aus Schmerz und Kummer zurück und es wird ein Leben geführt, das von zurechtgelegten Gedanken gesteuert wird. Das Gefühl des Liebesmangels wächst damit.
So wird nach Liebe gesucht und man erwartet Liebe für seine Leistungen, für sein Verhalten, für seine Anstrengungen usw. Es wird Liebe erwartet und gefordert ohne danach zu fragen, ob man überhaupt Liebe gibt.
Tiefsitzende Ängste vor Isolation, vor Schmerz, dem anderen nicht mehr zu gefallen, Ängste vor Einsamkeit, Ängste vor Gewalt, Ängste seine Macht zu verlieren, Ängste dominiert zu werden, kontrolliert zu werden, Angst vor Missbrauch und Manipulation dominieren in der Gesellschaft. Die Menschen wollen sich ständig gegenseitig gefallen aus den genannten Gründen.
Menschen streben die absolute Kontrolle über ihr Leben an und glauben das über den Verstand zu erreichen und über die Einflussnahme auf des Willens des anderen. Doch das ist Missbrauch. Man behandelt sich selbst damit nicht gut und ist dadurch auch nicht in der Lage, den anderen wahrhaft gut zu behandeln und mit ihm entsprechend liebend und ehrlich umzugehen. Wer etwas bezweckt, kann nicht ehrlich sein.
So sollen die anderen uns Erfüllungsgehilfe sein für unsere eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Wir glauben, nur wenn der andere unsere Wünsche und Sehnsüchte erfüllt, können wir glücklich sein. Wir glauben, nur wenn wir die Wünsche und Sehnsüchte der anderen erfüllen, sind die anderen zufrieden mit uns. Geld ist Missbrauchsmittel Nummer eins.
Geld ist eigentlich eine neutrale Energie, die unter gesunden gesellschaftlichen Strukturen als gesundes Tauschmittel zum Nehmen und Geben fungieren könnte. Doch das Geld ist in gesellschaftliche Strukturen eingewoben, die Missbrauch und Manipulation fördern, mit der Folge der Zerstörung der Lebensqualität. Lebensqualität ist jedoch Voraussetzung für ein gesundes seelisches Leben. Dadurch, dass im großen Stil keine anderen Tauschmittel praktiziert werden, sind die Leute gezwungen, Geld zu verdienen um überhaupt an der Gesellschaft teilnehmen zu können und ein angemessenes Leben führen zu können. Über die Geldmenge können die Menschen manipuliert und gesteuert werden. Jeder ist auf Geld angewiesen, um überleben zu können. So wird aller Missbrauch der Seele, des Geistes und des Körpers in Kauf genommen, nur um genügend Geld zur Verfügung zu haben. Es werden unwürdige Arbeitszeiten in Kauf genommen, unwürdige Arbeitsbedingungen, unwürdige Gehälter, unwürdige Behandlungen. Die Frauen, die bisher kein Geld verdient haben, bleiben in Partnerschaften, die sich längst überlebt haben. Man macht einen Beruf, der einem zwar nicht gefällt, aber bei dem man viel Geld verdient. Man schafft künstlich Kaufbedürfnisse bei Kunden bloß damit der Umsatz stimmt und hohe Gewinne erzielt werden können. Es werden viele Mittel und Strategien eingesetzt und Strukturen geschaffen, damit die wahren Bedürfnisse verleugnet werden und der Mensch diese unter den bestehenden Bedingungen auch nicht leben kann.

Bei Kindern werden von klein auf Verhaltensmuster und Bedürfnisse geweckt, mit denen sie dann später ideal mit der Gesellschaft konform gehen. Nach den Bedürfnissen des Herzens oder der Seele wird überhaupt nicht gefragt. Ziel ist nur, diese kaputt zu machen. Der unfreie Mensch ist das Ziel.
Viele haben den Kontakt zu ihrer Seele und zu ihrem Herzen überhaupt nicht und hasten nur für die Erfüllung ihrer gesteuerten Wünsche von einem Ersatzbedürfnis zum nächsten. So spielen Nikotinsucht, Alkohol, exzessives Essen, Vergnügungssucht, Kaufverhalten, Arbeitssucht, Getriebensein, Freundlichkeits- und Höflichkeitssucht und künstliches Geltungsbedürfnis eine große Rolle. Die Menschen sind nicht mehr echt und haben keinen Zugang mehr zu einem echten Gefühlsausdruck. Es werden immer nur positive Gefühle vorgegaukelt, Scheinfreundlichkeit, Scheinharmonie und hinter dem Rücken oder aus dem Hinterhalt werden dann die wirklichen Gefühle des Hasses, des Neides, der Missgunst, der Gleichgültigkeit gelebt. Die Folge sind, Gefühle der Überanstrengung, der Überforderung, sich fremd fühlen, Gefühle der Sinnlosigkeit und Leere, der Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht, Depression, weil die Menschen nicht wirklich denken und fühlen und handeln, wie es ihrem Innersten entspricht, und den Situationen tatsächlich angemessen wäre. Sie verlieren völlig die Orientierung auch zu sich selbst. Sie wissen nicht, was sie selbst nun wirklich wollen oder was von anderen als Wunsch aufgezwungen wurde.

Sie können nicht mehr unterscheiden zwischen Herzensbedürfnissen und Ersatzbedürfnissen. So greift der Missbrauch von anderen Menschen, von Tieren, der Natur, seinen Körper immer mehr, weitreichender und intensiver um sich, weil man glaubt, nur so überleben zu können.
Die Menschen nerven sich gegenseitig. Viele erleben das Zusammenleben nur als Bürde und Last. Es gibt ständig Streiterei, Nörgelei und Frustration. Keiner übernimmt wirklich Verantwortung für das eigene Denken, Handeln und Fühlen. Es findet selten eine Reflexion statt, warum man etwas tut, was die wirkliche Motivation ist. Die meisten Menschen fühlen sich als hilflose Opfer und geben die Schuld für ihr Unwohlsein ihren Mitmenschen, anstatt sich selbst seine ureigensten Bedürfnisse und Wünsche bewusst zu machen und dann sein Handeln konsequent danach auszurichten.
Durch die Jahrtausende hindurch haben sich die Menschen immer mehr von den göttlich geltenden Gesetzen abgewandt und haben immer mehr versucht, ihren eigenen Willen durchzusetzen ohne auf den göttlichen Willen oder ihre Herzens- und Seelenregungen zu achten. Dadurch haben sich immer mehr Seelenanteile zurückgezogen und es wurde tatsächlich immer schwieriger den Seelenwillen überhaupt noch zu empfangen zu spüren. Der Wille der Seele entspricht gleichzeitig immer dem Willen der Gesamtseele, aller Seelen und fördert deren Entwicklung und Entfaltung in Liebe und Harmonie.
Doch die Zerstörung, Abspaltung und das Vergessen haben viele Nachteile mit sich gebracht. Dadurch wurde es dann auch leicht, andere Menschen zu manipulieren, die ebenfalls ihren wahrhaften Seelenwillen nicht mehr richtig empfangen konnten und in Angst lebten.
Es kam immer wieder zu gegenseitigen Täter-Opfer -Spielen. Die Verbundenheit zum Göttlichen, zum eigenen Herzen und zu den wahren Seelenbedürfnissen und auch zu den echten Gefühlen ging immer mehr verloren und auch immer mehr Seelenanteile gingen verloren.
Die Entartung wächst mit dem mangelnden Zugang zur Gesamtseele. Ein Mensch, der den Zugang zum eigenen Herzen und zu seiner eigenen Seele verloren hat, lebt nur noch fremdbestimmt und ist komplett zu manipulieren und zu allem fähig und fügig zu machen.
Nur eines kann er nicht mehr und dazu kann man ihn auch nicht machen. Er kann nicht mehr liebend sein. Er kann zwar so tun, als ob er liebt, weil er alles darüber weiß und in sich gespeichert hat, doch er kann nicht mehr lieben. Er kann keine Liebe mehr in sich erfahren und auch keine mehr in die Welt senden.

Liebe Beatrice, natürlich ist die Frage, ob es da nun einen Weg heraus gibt.
Ja, es gibt immer einen Weg für den, der einen sucht.
Ein erster Schritt ist die radikale Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber darüber, wie es einem wirklich geht. Dazu gehört auch unbedingt, der tiefe Wunsch, wirklich von den Missbrauchsstrukturen und Mustern loszukommen auf allen Ebenen und die Bereitschaft, göttliche Hilfe annehmen zu wollen und die Bereitschaft, wieder konsequent den eigenen Herzens- und Seelenregungen folgen zu wollen und die göttlichen Gesetze nicht aus dem Blick zu verlieren.
Die Bereitschaft ist notwendig, für sein Tun die volle Verantwortung zu übernehmen, ohne sich von anderen etwas einreden zu lassen bis hin, sie wären da oder dafür verantwortlich.
Dadurch, dass man oft den Kontakt zu seinen wirklichen Bedürfnissen und Gefühlen verloren hat, ist am Anfang viel Geduld und Vertrauen notwendig auch in die göttliche Hilfe, dass man Schritt für Schritt wieder befähigt wird, seine wirklichen Bedürfnisse angstfrei und voller Vertrauen, dass sie richtig sind, wahrnehmen zu können.

Es ist am Anfang so schwierig, weil das Herz zu Taten führt, die der Verstand absolut nicht verstehen kann und damit auch die meisten Mitmenschen nicht. Die Richtigkeit ist nur über das Herz spür- und erfahrbar. Du gehst nicht mehr auf einen ausgetretenen Pfad, sondern legst neue Spuren. Es sind Deine Spuren. Du gehst auf Deinem Seelenpfad. Nur hier kannst Du in die Wahrhaftigkeit und ins Vertrauen gelangen. Nur so kann Dein Leben eine neue Qualität erreichen, dass Du Dich darin wirklich wohl fühlst und den Sinn Deines Seins erlebst.



Von Herzen
Malina

 

"Das spärliche Licht
meiner Vergnügungssucht

wird nicht ausreichen,
mein Leid zu beleuchten.
Ich schreie nach dir,
daß das Herz erschrickt.
Wann werde ich aufschreien
vor Dankbarkeit."

 

Leonard Cohen
aus "Wem sonst als dir"
Heyne-Verlag

 

 

 

 

 

 

 

"Die Kunst zu leben beginnt mit Meditation. Und mit Meditation meine ich die Stille des Verstandes, die Stille des Herzens....du gelangst an dein innerstes Sein und findest den Schatz, der deine Wirklichkeit ist. Sobald du den erkannt hast, kannst du Liebe ausstrahlen, kannst du Leben ausstrahlen, kannst du Kreativität ausstrahlen. Deine Worte werden poetisch, deine Gesten werden anmutig, selbst deinem Schweigen wird noch ein Lied anhaften. Selbst, wenn du ruhig dasitzt, wirst du noch tanzen." S.30

Osho
aus "Authentisch sein"
innenwelt verlag

 

 

"Du hast gar keinen Willen. Die bloße Vorstellung von Willenskraft ist eine absolute Täuschung. Der Wille gehört der Existenz. An diesem Willen kannst du teilhaben, indem du deine Persönlichkeit, deine Getrenntheit aufgibst. Dann wirst du den universellen Willen in dir tragen. Einen individuellen Willen hast du nicht; aber es ist befriedigend für das Ego, wenn die Leute dir sagen, du seist ein willensstarker Mensch.“ S.74

 

 

Osho

„Aus purer Lust am Leben“

Innenwelt-verlag




"Ein kleines Kind ist frei von Angst; Kinder kommen ohne Angst zur Welt. Wenn die Gesellschaft ihnen helfen und sie unterstützen kann, dass sie angstfrei bleiben, sie ermuntern kann, auf Bäume und Berge zu klettern und im Meer und in Flüssen zu schwimmen, wenn die Gesellschaft es schafft, sie in jeder Hinsicht dazu zu ermuntern, Abentuerer, Erforscher des Unbekannten zu werden, und wenn die Gesellschaft eine große Neugier in ihnen wecken kann statt sie mit toten Dogmen zu füttern, dann werden aus solchen Kinder große Liebende werden, Menschen, die das Leben lieben." S.48

Osho
aus "Authentisch sein"
innenwelt verlag

 


"Statt dich über das, was andere sagen, aufzuregen, solltest du anfangen, in dir selbst nachzuschauen. Wahre Selbsterkenntnis bekommt man nicht so billig. Aber die Leute wollen immer alles möglichst billig haben." S.76


Osho
aus "Kreativität"
heyne verlag

 


"Zuhören ist ein Grundgeheimnis, um in den Tempel Gottes

zu gelangen" S.85


Osho
aus "Kreativität"
heyne verlag


 

 

 

 

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