Die Künstlerin
(für meine Mutter)
Nie hat sie ein Bild gemalt
Und die schrieb auch nie ein Buch.
Singen hat sie nie gelernt,
Doch sie tat es, während sie
Die Sachen für die Kinder wusch.
Und viel früher, ein Kind noch war,
Trug sie die Rüben vom Feld nach Haus,
Tat sie in den Kessel, kochte Zuckersaft daraus,
Auch wenn der Erguss kaum zu sehen war
Und ward kein Festtagsschmaus.
Zuckersäcke trennte sie sich auf,
Weil neben dem Faden aus Papier
Auch einer aus Bindfaden war
Und sie wollt gern stricken
Für sich und die Geshwisterschar.
Dass sie dann beim Bäcker tat
Als junges Mädel ihren Broterwerb
War für alle auch ein Segen,
Denn so war Brot für alle auf dem Tisch
Nachdem die Mäuler sich hinreckten.
Keiner bracht ihr das Nähen bei,
Doch sie tat es meisterhaft.
Was sie als Lohn
Für diese Gabe bekam:
"Mama, ich möcht gern dieses und auch das."
Und so waren all die Jahre vollgefüllt
Mit zur Fabrik gehen in die Stadt, waschen, kochen,
Und schauen, was die Kinder machen, die
Am gedeckten Tisch fröhlich voller Späße lachten.
Ach, was wäre denn gewesen, wären
Die Lebensumstände für sie andere gewesen?
Vielleicht wäre sie geworden
Eine große Malerin, Dichterin, Bildhauerin
Oder auch Designerin.
Doch, was ist das schon gegen dieses Bild,
Das sie geschaffen aus dem Leben
Indem Kinder, die von Gott gegeben
Wachsen und gedeihen konnten,
Wie es entspricht seinem Wesen.
Die größte Kunst ist,
Das Leben zu lieben
Und damit
Es zu ertragen,
In schlimmen Zeiten
Nicht verzagen.
Was immer ist,
In sich zu lauschen,
Zu hören,
Was aus dem Herzen spricht,
Damit es weiter geht,
Ohne dass die Liebe
Auf dem Weg erlischt.
2005
Ute Malina Rößner