Meister
Wie lang der Weg

 

Meister,
Kannst du mir sagen,
Wie tief die Hölle ist,
Wie lang der Weg
Durch diese Finsternis?
Gibt es überhaupt einen Weg,
Der führt ins Licht
Oder ist nur noch
Mein Ende in Sicht?

 

Meister,
Was tat ich nur?
Wann war es?
Wem fügt ich Schmerzen zu?
Wer litt unter mir?
Wessen Schmerz ist es,
Der kehrt bei mir ein,
Bereitet mir
Qualvolle Pein?

 

Meister,
Von Stund an,
Da ich dir begegnet bin,
Verlor mein Leben
Täglich mehr an Sinn.
Der Lenker meines Lebens
Bin ich längst nicht mehr.
Die Hoffnung,
Die ist leer.

 

Meister,
Der Körper macht mir Angst,
Nein, ich sorge mich um ihn
Oder wer sorgt sich um wen?
Die Tage halt ich durch, doch
Vor den Nächten es mir graut,
Kann nicht entweichen
Den Geistern,
Die mich peinigen.

 

Meister,
Ach, ich weiß noch ganz genau,
Wie die Liebe mich ergriff
Und ich Liebe nur noch war.
Doch ich konnt nicht in ihr bleiben.
Immer wieder wandle ich,
Fühl die Qual so voller Kraft.
Sag, woher kommt und
Wer hat diese Macht?

 

Meister,
Dieses längst Vergangene,
Ist mir so nah geworden,
So nah,
Dass es jetzt ist,
Auch wenn es niemals war.
Die Geister haben sich bekleidet,
Das Schauspiel, das ist echt und
Ich bin nicht mehr da.

 

Meister,
Ich will nicht jammern,
Auch mich nicht beklagen,
Das Leben mir nicht retten,
Wenn es soll vergehn.
Auch den Sinn,
Den muss ich nicht verstehn,
Doch sag, warum muss der Mensch
Auf Erden, wo es so schön, soviel leiden?

 

Meister,
Wer hat erweckt das, was jetzt wach
Mit seinen Liedern und Geschichten,
Das nun in mich gedrungen?
Ach sag, bin ich gekommen,
Um strafen mich zu lassen
Oder kam ich nicht?
Ist's die schwarze Schlange,
Die mich fand?


Meister,
Was will sie von mir,
Dass sie kommt
Angeflogen durch die Lüfte
Aus Welten, die mir verborgen,
Doch nun Wirklichkeit geworden.
Warum schlingt sie sich mir um den Hals?
Soll ich sie etwas tragen,
Diese alte Mär?

 

Meister,
Wer hat dich geschaffen?
Warum gibt es dich
Oder bist du nur,
Bis ein jeder kann erkennen
Den Meister
In jedem Baum, in jedem Kind,
In jedem Lebenshauch,
Schließlich auch in sich.

 

Meister,
Für mich bist du
So wunderschön,
So überall.
Ich kann dich nicht nur
In meinem Herzen
Oder, wenn ich vor dir steh,
Nicht nur,
Im duftend lila Fliederstrauch,
In Nachbars strahlend Lieschen,
In den Augen meiner Kinder,
In den Händen meiner Freunde,
In dem Foto meines Vaters,
Das mir auch geblieben,
In der Fliege, die mir auf der Nase sitzt,
In der Schneeflocke,
Die ohne Angst einfach schmilzt,
Nein, ich kann dich auch
Wie alles, was ich bin und nicht,
Was kommt und geht
Im Spiegel sehn.

 

 

                                                                                              Ute Malina Rößner

 

 

zurück