Lieber Marcus,
Deine höfliche und herzliche Art mit Menschen und Situationen umzugehen, die Du immer wieder aufs Neue in allen Lebenslagen von Herzen anstrebst und lebst, haben mich beflügelt, eine kleine Geschichte zu schreiben, die ich Dir hiermit sende. Vielen Dank für Deine charmante freundliche und vor allen Dingen aufrichtige und authentische Art mit der Du immer mit mir umgegangen bist.
Herzlichst Malina
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Wuffi & Morle
im Gespräch über Herzlichkeit & Höflichkeit
Ute Malina Rößner
„Ach Wuffi, im Handarbeitszirkel ist es gar nicht mehr richtig schön. Es sind mehr Mitglieder, also wir haben in den letzten Jahren mehr Zuwachs bekommen und es sind viele an der Stickerei und anderen Handarbeiten interessierte und interessante Tiere da, die auch viele schöne Sachen hervor-bringen, doch was sagt das schon. Das Ergebnis rückt so in den Vordergrund, dass aus meiner Sicht das Eigentliche verloren geht und das sollten doch die Freude am Schaffen sein, das Sticken und Kreieren selbst. So viele schöne Werke kann man immer wieder sehen. Da staunst du, wie erfinderisch und geschickt viele Tiere sein können. Doch sie selbst scheinen dabei nicht wirklich froher zu werden. Der Umgang miteinander wirkt immer maskierter und immer weniger entspannt. Sie gehen zwar alle bemüht höflich miteinander um und machen sich gegenseitig schöne Worte. Sie zeigen einander auch gleich automatisch ihre Zähne, wenn sie sich begegnen, zum anstrahlen bereit. Dabei spürt man trotzdem oft genug den Stachel, der in ihnen sitzt, dass sie in Wirklichkeit neidisch und in Konkurrenz untereinander sind und sich von Minderwertigkeitsgefühlen übermannt erleben. In den Blicken untereinander kannst du immer deutlicher die gegenseitige Wertung sehen, die immer stärker an die Stelle von Wertschätzung und echter Freundlichkeit tritt. Die Freund-lichkeit reicht meist nur soweit, wie sie sich gegenseitig von Nutzen sind. Sie ist wie auch die gegenseitige Achtung auf die Geschäftsebene gerutscht. Das kann einem wirklich leid tun, weil ja gleichzeitig oft unterschwellig zu spüren ist, dass sie sich wünschten, es wäre anders. Die Katze Sophie, die das auch bemerkt hat und gerne wortführend und bestimmend ist, hat jetzt auch noch Regeln aufgestellt, worin das Zusammensein und Arbeitsthemen im Handarbeitszirkel eine Vorlage, also ein Konzept bekommen, wodurch ein harmonisches, liebevolles Miteinander geregelt sein soll. Schließlich haben auch schon eine Reihe von Mitgliedern den Zirkel nach der letzten Gemeinschaftsausstellung verlassen. Da ging die Hechelei richtig los, nachdem der Öffentlichkeit die Werke gezeigt wurden und die unterschiedlichsten Feedbacks kamen. Sogar über solche Kleinigkeiten, wie an welchem Platz dieses oder jenes ausliegt, gab es heftige Diskussionen. Von Katze Tuffi, die noch nicht solange bei uns ist, hing der Wandteppich gleich in der Eingangszone, ein wahrliches Prachtstück. Die Muster hat sie alle selbst entworfen. Dann gibt es eben Katzen, die der Meinung waren, es müsste ausgelost werden, wer diesen guten Präsentationsplatz bekommt. Sogar von den Alten waren welche neidisch, weil Tuffi eben erst vor eineinhalb Jahren zu uns gestoßen ist und vorher nirgendwo eine Ausbildung zur Stickerin gemacht hat. Tuffi hat inzwischen wieder den Zirkel verlassen. Sie hat einfach gesagt, dass sie nicht mehr kommt, es wäre ihr zu eng und intolerant bei uns. Ach Wuffi, das ist nur ein Beispiel von vielen. Mich macht das traurig.“
Wuffi streichelt seine Morle zärtlich über das Fell. „Aber Morle, ich kann dich verstehen, dass dich das traurig macht, doch findest du es nicht normal, dass je mehr Tiere an einem Ort zusammen kommen, Regeln für das Zusammenleben aufgestellt sein müssen, damit es eben gut funktioniert. Ist das nicht ein guter Gedanke von Sophie?“
Morle holt tief Luft und sagt, indem sie nach Wuffis Pfote greift: “Wuffi, du sagst es selber: „damit es funktioniert“. Es funktioniert eben nur noch. Aber die Herzensverbindung und die daraus fließende Herzensfreude, was Authentizität und Wahrhaftigkeit bedeutet, gehen dabei verloren. Wir machen uns dann zu Marionetten, die einfach nur noch ein Spiel spielen, an dem sie nicht einmal mehr Freude haben. Es ist doch nicht die Lösung, auftretende Empfindungen und Unstimmigkeiten wegzudrängen und an deren Stelle Regeln zu setzen. Die Tiere entfremden sich immer mehr von ihrem eigenen Wesen, von dieser wirklich gemeinsamen Wurzel, aus der alle Kraft, Kreativität, Wahrhaftigkeit und Liebe strömen. Gleichmacherei soll anstelle gelebter Individualität treten. Zucht und Ordnung treten anstelle eines geordneten Innenlebens, freundliche Heuchelei, statt wahrhafter Freude über das, was der andere und man selbst geschaffen hat. Versteckte Kritiksucht wird an Stelle von sich berühren lassen und Inspiration gesetzt. Keiner fühlt sich mehr gut genug, so wie er ist, weil anstelle von Akzeptanz und Toleranz rigide Regeln und Vorgaben getreten sind. Der Niveauunterschied ist nun mal sehr groß in unserem Zirkel. Aber es wird sich auch untereinander geholfen. Doch auf der anderen Seite hat die Konkurrenz inzwischen den viel größeren Stellenwert eingenommen. Diese schafft Zwietracht und Disharmonie, der man natürlich ein Ende bereiten will. Doch, wenn das so weiter geht, dann sitzen wir am Ende alle da, ob Anfänger oder langjährig Erfahrene und schon Meisterin auf dem Gebiet und sticken alle die gleichen kleinen Deckchen mit einfachen Mustern, verwenden die gleichen Farben, passen uns der Geschwindigkeit des Langsamsten an und verdrängen unsere ureigenste Kreativität, nur damit Neid und Eifersucht gar nicht aufflackern können und man sich einen scheinbaren Frieden geschaffen hat unter deren Decke es jedoch heftiger brodeln wird denn je. Wuffi dann bleibe ich lieber zu Hause, setze mich in mein kuscheliges Körbchen am Fenster, sticke die schönsten Decken und Tücher, die mir in den Sinn kommen und schmücke damit unser Heim. Wenn mir das nicht genug ist, dann werde ich eine Annonce in der Tierrundschau aufgeben und biete meine Erfahrungen an, dass Interessierte bei mir Sticken lernen können oder auch einfach zum gemeinsamen Sticken kommen können. Das wäre vielleicht auch sehr schön, wenn mehrere junge Katzen das Sticken lernen wollen und zu mir kämen. Doch die Priorität hätte immer das persönliche Wachstum und der Reifeprozess während des Tuns und nicht das Stickergebnis, damit die Freude aus dem eigenen Inneren immer mehr wachsen kann. Sobald ich spüre, dass unter den Katzen, die bei mir sticken, Neid und Eifersucht entstehen oder andere „schräge“ Gefühle, werde ich das Sticken unterbrechen. Dann werde ich mich mit den Katzen und Hunden dem Thema Neid und Eifersucht oder je nachdem, was anliegt widmen und der Heilung dieser Gefühle. So kann die Stickerei immer freudvoller und auf einem höheren Niveau stattfinden. Ich werde auch, bevor ich jemanden in meinen Stickzirkel zulasse, in einem Gespräch darüber informieren, dass es hier nicht nur um das Sticken und fröhliches Beisammensein geht und darum, dass man dann schöne Werke vorzeigen kann, sondern darum, das die Seelen aller Beteiligten sich immer weiter entfalten können, indem unser eigenes Inneres immer harmonischer wird und wir gleichermaßen Freude an uns selbst und an unseren Werken, wie auch Freude an den anderen und ihren Werken haben, die sie von Herzen und mit Liebe hervorgebracht haben. Die aufrichtige Herzlichkeit, die oft nicht vieler Worte und großen Gehabes bedarf, sollte nie durch gekünstelte Höflichkeit, auch wenn sie schon perfekt antrainiert ist und fast von alleine fließt ersetzt werden. Denn sie wird dadurch nie ihren heuchlerischen Ausdruck verlieren. Höflichkeit sollte immer vom Herzen kommen.“ Wuffi hat Morle mit spitzen Ohren ganz aufmerksam zugehört. „Morle, das hört sich großartig an! Könntest du dir nicht vorstellen, diesen wunderbaren Gedanken in den bestehenden Zirkel hineinzutragen, um ihn vielleicht dort zu verwirklichen?“ „Nein Wuffi, so ein Gedanke kommt mir überhaupt nicht. Wie heißt es so schön: „Man kann nicht neuen Wein in alte Schläuche füllen.“ „Die meisten Tiere sind so, dass neue Ideen, die ja in dem Moment noch ein kleiner Spross sind, zerreden und im Endeffekt zertreten werden. Ich habe auch kein Interesse, andere bekehren zu wollen und meine Energie dafür zu verschwenden. Ich kann nur immer wieder akzeptieren, was ist und einen wachen Blick dafür behalten, jedoch persönliche Konsequenzen für mich daraus ziehen. Wenn mein Gefühl ist, dass ich eine Situation nicht verändern kann, in ihr aber auch so nicht bleiben möchte, so kann ich sie nur verlassen und mich freuen über die Erfahrung, die ich gemacht habe und die mich zum nächsten Schritt geführt hat.“
„Ja Morle, sicher hast du Recht, dass das das Beste ist. Sicher gibt es noch viele Tiere, die diese Art der Vorschriften und Regeln noch wollen. Denn dann brauchen sie sich nicht so schnell ihrer eigenen Verantwortung zu stellen. Sie weisen dann den Vorschriften und aufgestellten Regeln die Schuld für die Missstände zu. Es ist zwar ein Wirken, indem nur eine sehr begrenzte Entfaltung möglich ist. Doch es gibt genügend Tiere, die solch eine aufgestellte Ordnung vorziehen, in der alles geregelt ist bis dahin, wie man sich einem anderen gegenüber verhält. Wenn sie nach Vorschriften leben und wirken, dann fühlen sie sich scheinbar frei, übernehmen aber auch nur so viel Verantwortung, dass sie sich verpflichtet fühlen, die Regeln einzuhalten. Vielleicht gehen sie irgendwann von selbst da raus, wenn sie diese Erfahrungen und diesen Entwicklungsschritt gemacht haben, den Verlust der eigenen Freiheit spüren und vor allen Dingen, den Verlust von selbstbestimmtem Leben und Kreativität aus dem eigenen Herzen heraus. Doch Morle, es ist gut, dass du gehst, wenn der Zirkel künftig nach einem Konzept funktionieren soll, das der individuellen Entfaltung der Tierlichkeit und der Freiheit der Seele nicht dienlich ist. Es kann nicht sein, dass die scheinbar Schwachen immer im Vordergrund stehen und gefördert werden sollen und diejenigen, die schon hohe Leistungen bringen und in ihrer Entwicklung schon sehr weit vorangeschritten sind, fast gebremst werden, weil sie sich in ein System einordnen sollen, bzw. alles in ein System gepresst wird, das Gleichmacherei und Unterwürfigkeit zum Ziel hat. Die Unterwürfigkeit und die Macht brauchen aufgestellte Regeln und Organisationsformen. Morle, du hast recht. Die fließenden Herzensenergien dürfen unter keinen Umständen gestoppt oder unterdrückt werden. Denn das ginge auf Lasten der Fruchtbarkeit, der Kreativität, der Gesundheit und der Lebendigkeit der Tiere, einer optimalen, harmonischen Entwicklung und Entfaltung der Gemeinschaft. Es sollte sich immer jeder am Höchsten orientieren, nach dem Höchsten streben. Wer das aus einem reinen Herzen tut, dient damit den scheinbar Schwachen am meisten und gibt ihnen wahrhafte Orientierung, denn alles strebt letztendlich dem Höheren, Heileren, Vollkommeneren, Authentischeren, Wahrhaftigeren entgegen, also zum Herzen hin. Alle Schwächen, die einem auf diesem Weg begegnen, gilt es in die höhere Form zu transformieren. Sie dürfen nicht zum Erstarren gebracht werden, sondern das Erstarrte muss aufgelöst werden und wieder in Fluss kommen, denn wenn das nicht geschieht, schlägt das irgendwann böse auf die Tiere zurück. Die Tiere sollten wieder eine aus dem Herzen kommende Höflichkeit leben, die Ausdruck der Herzensenergie ist und damit auch in Beziehung zu dem anderen steht. Dann ist Höflichkeit auch mehr als nur eine Phrase, die zur Überbrückung irgendwelcher Situationen dient. Sondern die Höflichkeit ist dann die Brücke auf der man sich in Wahrhaftigkeit und aus dem Herzensgefühl heraus begegnet. Denn die negativen Energien, die diese Begegnung stören, sind transformiert.“
„Danke Wuffi für deine mich nährenden Worte. Ich werde am Dienstag noch einmal in den Handarbeitszirkel gehen und mich verabschieden. Trotz allem bin ich dankbar für die Erfahrungen, die ich dort machen durfte.“
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