Malen und Meditation (18. Brief an Marie)
Liebe Marie, was immer Du tust, kannst Du im meditativen Zustand tun, ob es Fensterputzen ist, einen Brief schreiben, spazieren gehen, einkaufen auch während eines Gespräches mit jemanden kannst Du in diesem Zustand bleiben. Doch natürlich gibt es bestimmte Tätigkeiten, die besonders unterstützend wirken, um in diesen Zustand zu kommen und den Kontakt zu sich erst einmal wieder zu entdecken. Eine wunderbare Tätigkeit ist zum Beispiel das meditative Malen. Wie Du weißt, gibt es kein einziges Kind, das nicht gerne malt. Zur Zeit beobachte ich das bei meinen Enkelkindern, mit welcher Freude sie den Stift schwingen und das Blatt bemalen und wenn man sie nicht bremsen würde, dann geht es an den Wänden weiter. Das zeigt, dass sie besonders Spaß haben auf großen unbegrenzte Flächen zu malen. Die ganz Kleinen malen einfach los, ohne was Bestimmtes zu wollen und wenn sie etwas älter sind, wissen sie vielleicht, dass sie jetzt z.B. die Geburtstagsfeier malen wollen, aber sie fangen einfach an, ohne sich Gedanken zu machen, wie das nun realistisch auszusehen hat. Der Prozess des Malens stimmt sie voller Freude. Ich malte mal mit Kindern und dabei war ein Junge, der mich sehr beeindruckte. Er war schon etwas älter. Er malte auf das Blatt vor ihm wild darauf los. Er bewegte sich viel dabei. Dann flog die Farbe um (flüssige Acrylfarbe). Dann kam noch die Farbe drauf und dann die. Ich ließ ihn einfach machen. Ich spürte, nicht einzugreifen, außer dass er den Malplatz seiner Nachbarin zu respektieren hatte. Meine Aufgabe besteht darin, den bewussten Seelenkontakt zu halten und so ließ ich das wilde Malen bei dem das Blatt am Ende nass und grau in den verschiedensten Schattierungen war geschehen und fühlte es stimmig. Dann nahm er plötzlich das Blatt und zerknitterte es. Denk jetzt nicht, dass er das vielleicht weggeworfen hätte. Nein, er nahm es dann wieder auseinander, machte ein paar Löcher hinein, streifte es glatt und sagte freudestrahlend: „Eine Schatzkarte. Die wollte ich schon immer haben.“ Kinder stehen nicht unter dem Leistungsdruck wie Erwachsene und malen daher viel entspannter und erwartungsfreier. Sie haben keine Angst vor einem weißen Blatt und nicht vor den Urteilen der Erwachsenen. Sie fangen einfach an und fließen mit dem Geschehen. Die Angst kommt erst, wenn sie in die Schule kommen und ständig bewertet werden. Dann kommt die Vorsicht und der Kopf wird mehr und mehr eingeschaltet und die rechte Gehirnhälfte verstummt immer mehr. Doch genau die lässt sich durch das meditative Malen wieder erwecken und aktivieren. Erwachsene lassen dann lieber die Finger vom Malen, auch wenn sie manchmal Lust hätten, irgendwas besonders Kreatives, das Spaß macht, zu tun. Sie trauen sich nicht mehr und der Zugang ist verschüttet. Sie trauen sich nicht zu, etwas auf die Leinwand oder das Papier zu bringen, das ihnen oder anderen gefallen könnte. Sie haben Angst, sich lächerlich zu machen, also hören Sie auf damit. Das betrifft viele kreative Tätigkeiten, wie auch das Musizieren, Dichten und Gestalten. Natürlich gibt es viele Angebote an Kursen, wo man was Bestimmtes wieder erlernen kann. Doch meist ist es doch mit Zielvorgaben verbunden und auf ein bestimmtes Ergebnis ausgerichtet. Der Erwachsene tut immer weniger aus der Spontanität heraus, weil die rechte Gehirnhälfte bereits sehr verkümmert ist und der Schwerpunkt liegt auf der linken. Da geht es um konkrete, berechenbare und kalkulierbare und für den Verstand nützliche Dinge. Es geht mir nicht um das Malen oder Musizieren, Töpfern oder Gestalten, Dichten oder Tanzen, Singen oder Basteln, sondern einfach darum, dass es für die Gesundheit, die innere Harmonie, das Gleichgewicht, den Lebenssinn, für das Gespür von Leben, von Sicherheit, von Verbundenheit, von Liebe und Mitgefühl wichtig und notwendig ist, dass wir in einem, aus einem kreativen Fluss leben können, ohne uns gelenkt und begrenzt zu fühlen, weil der Verstand ständig wie ein Wächter über uns herrscht und uns immer enger, fester, steifer und engstirniger macht. Kreativität bedeutet Heilung und Harmonisierung von Körper, Geist und Seele. Wie kommen wieder in Einklang, fühlen, was unsere Berufung ist und spüren, dass es nur Sinn macht, diese zu leben und alles andere krank macht. Meine Seele hat mich zum Malen aus dem Herzen geführt. Ich fing irgendwann einfach an damit. Erst war es die Seidenmalerei, die ideal dafür ist mit dem Fluss der Farben mitzugehen und überhaupt spielerisch mit Farben umzugehen. Dazu ist Seide so ein wunderbar geschmeidiges Material, das man mit Freude berührt und sich umschmeicheln lässt. Das Malen aus dem Herzen ist wunderbar, seinem Wesenskern näher zu kommen, seine Talente wiederzuentdecken, indem man einfach mit den inneren Schwingungen in Kontakt kommt und diese sich durch das Malen Ausdruck verschaffen. Durch die Ungezwungenheit und Wertfreiheit findet eine Öffnung zur Kreativität statt. Doch nicht nur das, es kommt einem Lösungs- und Erlösungsprozess gleich. Das Leistungsdenken wird durchbrochen. Wir können uns durch viele Schichten malen, die wie Schleier über unserem Innersten liegen und die in uns wohnende Harmonie, Freude, Liebe und Schönheit widerfinden. Wir schließen uns wieder an die ursprüngliche Quelle für Inspiration und Kreativität an. Liebe Marie, fühle in Dich, ob das meditative Malen auch was für Dich ist. Malen und meditieren. Immer wieder legen wir auch den Pinsel zur Seite und lassen unser Bild auf uns wirken, nehmen es auf und lassen geschehen. Es wird natürlich nicht alles schön und leicht empfunden, was sich während des Malens zeigen kann. Es ist ein Prozess, wo sich auch unangenehme Gefühle, verborgene Trauer, verdrängte Schmerzen, Wut, Minderwertigkeitsgefühle, gleichermaßen zeigen können. Doch sie zeigen sich ja nur, weil sie da sind und endlich dürfen sie sich zeigen und damit können sie auch transformiert werden. Allein das Zulassen der Gefühle schafft Raum in dem Transformation stattfinden kann. Aus dem Herzen malen bedeutet, sich davon zu lösen Erwartungen gerecht zu werden. Der Verstand darf ruhen. Du hast keine Erwartungen an Dich und andere keine an Dich und Dein Bild ist nicht für irgendjemanden gemalt und auch nicht für etwas, sondern es einzig und allein Ausdruck von Dir, Ausdruck Deiner inneren Farben, Deiner Gefühle, Deinen augenblicklichen Zustandes, der im nächsten Augenblick schon wieder ganz anders sein kann. Kein Bild wird festgehalten und so lange es Dich festhält, will es Dir noch was sagen und allein durch das Schauen und wirken lassen, erreichen Dich die Botschaften, die der Heilung und Harmonie dienen. Alles dient Dir. Die ganze Schöpfung ist für Dich und mit Dir. Es ist ein Spiegelbild von Dir in diesem Moment. Das Bild wandelt sich von Moment zu Moment, entsprechend wie Du weitermalst und wie im jeweiligen Moment Deine innere Verfassung ist. Es ist ein Bild, das Du vorher nicht geplant und in Gedanken konstruiert hast und nun versuchst widerzugeben. Es ist ein Bild, das mit Dir entsteht, aus Deinem Fluss heraus. Du fühlst beim Malen, wie Deine Lebensenergie fließt. Das ist spannend. Die Farben dürfen fließen und Du darfst einfach fließen. Wenn Deine Seele sich Ausdruck verschaffen darf, dann fühlst Du Dich auch beseelt. Bei mir hatte sich das so ergeben, dass alles, was ich anfing, blumig wurde. Ich spürte die Elfen auf meinen Schultern sitzen und tanzen. Manchmal kam auch ein frecher Kobold dazwischen und wollte mich ablenken und ärgern. Ja, das hat auch seinen Sinn, denn es ist gut, immer wieder Abstand zu nehmen. Außerdem geht es um Meditation und nicht um Konzentration. Konzentration strengt an und Meditation entspannt. Im kreativen Schaffen kann Stück für Stück alles Krankmachende verschwinden und alles aus der Harmonie geratene zerfallen und sich harmonisch zusammenfügen. Ach Marie, es gibt so viel Schönes, das man tun kann, um sich wieder an die Schönheit des Lebens angeschlossen zu fühlen. Und wenn Du zu nichts Lust hast, sondern willst vielleicht einfach nur spazieren gehen oder in der Sonne liegen, dann genieße es. Es ist wunderbar. Doch fühle und erlebe das, was Du tust und lebst bewusst.
Herzlichst Malina
"Die Seele sehnt sich nach den göttlichen, ewig blühenden Garten." S. 30
Mario Mantese
Hier geht es zum 17. Brief von Marie: "Meditation, hilft das?" Hier geht es zum 19. Brief an Marie :"Verstopfen mich Wissen und Bildung?" |
"Meditation ist das Reinigen des Geistes und Herzens vom Egoismus ; durch diese Reinigung entsteht das richtige Denken, das allein den Menschen vom Leid befreien kann." Krishnamurti
"Unsere ganze Gesellschaft ist darauf aus, jedem Kind ein starkes Ego zu verpassen." S.69 Osho "Das blaue Meditationsbuch" Goldmann Verlag  "Ein schöpferischer Mensch ist jemand, der etwas aus dem Unbekannten in die Welt des Bekannten holt, der etwas von Gott in diese Welt holt, der Gott hilft, etwas mitzuteilen." S. 179 Osho "Kreativität" Heyne Verlag |