Aggressivität (9. Brief Sonja) 

 

 

Liebe Sonja,

 

Das Thema Aggressivität interessiert Dich inzwischen sehr. Ausgelöst wurde Dein Interesse durch Deine Erlebnisse an dem Abend, als Du mit dem aggressiven Verhalten Deiner Freunde konfrontiert wurdest. Du hattest entspannt, offen und freudig von Deinen neuen Erfahrungen und Interessen berichtet und wie spannend und neu das alles für dich ist. Dir ist es dann ganz schön auf die Nieren geschlagen, dass Dir fast die Galle hoch kam und sich Dir der Magen umgedreht hat, als Du plötzlich von Unverständnis, Irritation und Ablehnung umgeben warst. Du hattest solche ablehnenden Worte und Verhaltensweisen nicht erwartet. Deine Heiterkeit und Freude auf den Abend wandelte sich plötzlich in Niedergeschlagenheit und der Lust, zu gehen. 

Es ist doch bemerkenswert Sonja, dass die Liebe, die Freundschaft, dass sich einander mögen in diesem Moment nicht überwogen haben, wodurch ihr den Konflikt hättet auf einer anderen Ebene austragen können. Unter Freunden hätte das doch möglich sein sollen, oder? Hatten alle einen schlechten Tag und haben sie nur auf einen Auslöser gewartet, dass sie jemanden ihre Wut entgegen schleudern können, bei dem sie sich das trauen? Beim Chef oder dem Kollegen über den sie sich an dem Tag geärgert hatten, konnten sie es nicht. Dem Stau im Straßenverkehr bei glühender Hitze konnte niemand ausweichen und dann war Michael wie Du schreibst noch die Wasserflasche umgefallen und er konnte nicht mal seinen Durst löschen. Britta ärgert sich schon seit Monaten über ihre Schwiegermutter, die mit im Haus wohnt, seit eine leichte Demenz diagnostiziert wurde. Sie macht ihr das Leben schwer. Norbert hat seinen Traum, ein abenteuerliches Leben zu führen, mit Wohnmobil durch die Welt zu düsen und immer zu bleiben solange es ihm gefällt, nie verwirklicht. Er jammert solange Du ihn kennst über sein ödes Leben. Silvia setzt das Fremdgehen Ihres Partners enorm zu und frisst sie regelrecht auf, doch aus Angst ihn zu verlieren, schweigt sie. Na und Greta hat Dir bereits vor Jahren mal gesagt, dass sie oft von Neid gequält wird, dass sie ständig denkt, jedem anderen geht es besser als ihr. 

Jeder wird von etwas geplagt, dass in ihm Unruhe zu stiften scheint. Dann kommst Du und erzählst offen und frei, als stände Dir plötzlich die Welt offen für neue Erfahrungen und ein neues Leben und sagst, dass das jedem möglich ist. Du wirfst in den Raum, dass Probleme selbst gemacht sind und bei jedem kommt eine Erinnerung oder ein gespeichertes Programm zum starten. Das übernimmt nun die Kontrolle und Führung der Verhaltensweisen. - Das lass ich erstmal so stehen.

Liebe Sonja, Aggressivität ist stets der Versuch der Natur das Gleichgewicht, das bedroht ist zu verteidigen und zu erhalten oder der Kampf darum, es wiederherzustellen. Aggressivität ist also weder richtig noch falsch. Sie kann nützlich und schädlich sein. Sie zeigt etwas an und weist auf etwas hin. Je reifer ein Mensch ist, sich geistig und seelisch entwickelt hat, desto intensiver und lenkender kann er durch seinen Bewusstseinszustand und damit bewussten Wahrnehmung dessen, was gerade abläuft, Einfluss auf das Geschehen nehmen. Er bestimmt sein Verhalten und nicht das z. B. angetriggerte Muster oder die verdrängte Wut, die sich Ausdruck verschaffen will. Er lässt immer wieder die Transformation zu,  setzt die freigelegte Energie dafür ein. 

Aggressivität kann lebensnotwendig sein und damit lebensrettend. Sie schafft Kampfbereitschaft, bis hin  die Bereitschaft zu töten. Etwas soll vernichtet oder wiederhergestellt werden. 

Aggressivität entsteht durch Fremdeinwirkungen, Bedrohungen und durch Ziele, die durchgesetzt erreicht werden wollen. Aggressivität kann bereits durch das Verspeisen von Lebensmitteln entstehen, mit denen unser Verdauungssystem nicht optimal und reibungslos umgehen kann, es verstärkt zu Ablagerungen kommt und unsere Leber z. B. rebellisch reagiert, der Darm mit Durchfall reagiert oder es zu Schweißausbrüchen aus allen Poren kommt.

Durch das Essen von bestimmten Nahrungsmitteln können wir uns bereits geschwächt, nervös, gereizt und unwohl fühlen, obwohl es doch so gut geschmeckt hat. Ein latent aggressiver Zustand entsteht. 

Wenn jemand ein Organ implantiert bekommt, werden gleichzeitig Medikamente verabreicht, die die Abwehrkräfte schwächen sollen, da der Organismus ansonsten die Kraft aufbringen könnte, das Fremde von sich zu stoßen, da er spürt, dass es nicht vollumfänglich mit dem Organismus kompatibel ist. Es entsteht Aggression, die unterdrückt wird.

Haben wir fürchterliche Zahnschmerzen und können nicht gleich zum Zahnarzt gehen und nehmen stattdessen eine Schmerztablette, werden ebenfalls die Abwehrkräfte lahmgelegt. Die gereizten Nerven werden beruhigt. Doch der Schaden ist längst nicht behoben. Im Gegenteil, er kann sich weiter breit machen und ausdehnen.

Auch mit unseren Meinungen und Vorstellungen über uns und das Leben, über andere, über was richtig und was falsch ist, was gut und schlecht ist, bilden wir eine Einheit. Es hat was mit Vertrautheit und Gewohnheit zu tun, die man nicht gerne stören lässt. Jeder trägt gedankliche Bilder in sich und wenn etwas  Fremdes versucht da einzudringen, das sein Bild nicht entsprechend seinen Vorstellungen bereichert, sondern Bedrohung aus Unkenntnis und Unwissenheit gespürt wird, entsteht Abwehr.

Meinungen sind halt auch etwas, mit dem man sich existenziell verbunden fühlen kann. Es liegt in der Natur des Menschen, seine Existenz erhalten zu wollen. Selbst für etwas Besseres gibt er diese nicht einfach auf. Solange das Bessere in ihm nicht wenigstens als positive Gedankenform gespeichert ist, ist es für ihn etwas Fremdes. Dem Fremden wird mit Misstrauen begegnet. Die Identität soll erhalten bleiben, um zu wissen, wer und das man ist.

Beobachte Dich mal einen ganzen Tag lang, wie oft dabei in Dir selbst Aggression entsteht oder ständig in Dir ist, wenn sicher meist nur in abgeschwächter Form. Auch während der Lösung von Blockaden entsteht Aggressivität, die jedoch ein Wachstum an Liebesfähigkeit zur Folge hat. Eine Blockadenlösung ist immer gleichzeitig ein Integrationsprozess. Abgespaltene Seelenanteile werden aufgedeckt, geheilt und integriert. Das kommt energetisch einer Operation auf der feinstofflichen Ebene gleich. Je mehr aus der Verdrängung gelöst wird, desto geringer wird die Gefahr für das Entstehen von Aggressivität, die aus Pseudoängsten rührt.

Widerstand ist immer auch eine Form von Aggressivität bzw. kann sie sich dadurch ausdrücken. Aggressivität kann sich jeweils nach innen oder nach außen richten. Doch betreffen tut es stets das Innen und außen. Nichts existiert getrennt voneinander.

Liebe Sonja, wir haben den Verstand bekommen, um unser Verständnis zu entwickeln und nicht nur um Urteile zu fällen, egoistische Ziele durchzusetzen oder unser Wissen zu erweitern und anwenden zu können.

Das gelingt nur in Verbindung mit dem Herzen und Wahrnehmung für das Ganze, was weit über ein Ich hinaus geht. Tiere und unkonditionierte kleine Kinder, also Kinder im Säuglings- und Kleinstkindalter haben diese noch nicht. Sie sind noch nicht konditioniert und nicht zivilisiert. Es ist vollkommen auf das eigene Wohl orientiert. Es geht ums Überleben. Stellst Du eine Schale leckeres Obst auf den Tisch und es sitzen nun sieben hungrige Kinder am Tisch werden alle danach greifen und wer die Schale zuerst erwischt, wird sie sofort essen. Es fragt sich nicht, ob die anderen auch gerne welche essen wollen oder Hunger haben, deshalb wird die Mutter die Aufteilung vornehmen, wenn nicht ein Kind sie schon aufgefuttert hat. Wenn es etwas will, wird es alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, seinen Willen durchzusetzen. Gerade haben z. B zwei kleine Kinder, dem Säuglingsalter gerade entwachsen noch friedlich zusammen gespielt und sich die Händchen gehalten und im nächsten Moment wird zugebissen, wenn es etwas will, was das andere Kind hat. Die Fähigkeit und Möglichkeit aggressiv auf etwas zu reagieren, ist also in uns vorhanden und kann jederzeit aktiviert werden.

Durch den Entwicklungsstand des Menschen haben wir es  dabei nicht mehr nur mit dem Überlebenskampf zu tun. Kultur und Gesellschaft haben einen Menschen hervorgebracht, dem es um die Verteidigung seiner gebildeten Persönlichkeit geht, die er stets zu schützen sucht. Andere Meinungen, andere Kulturen, Andersdenkende können bereits bedrohlich wirken. Es bedarf keiner realen Gefahr für sein Leben und für seiner Existenz, um Aggressivität zu entwickeln und das Böse leben zu lassen.

Die Lust zu zerstören, zu töten und jemanden leiden sehen wollen, wie auch nachtragend zu sein, gehört dem konditionierten Menschen an und nicht dem Tier und auch nicht dem Kleinstkind, dass ein anderes Kind beißt, um etwas zu bekommen. Der konditionierte, auf einer bestimmten Entwicklungsstufe stehende Mensch genießt das Böse und das Gute, das Hässliche und das Schöne je nach Zustand seiner Verfassung und seiner Reife. Übrigens ist es doch toll, dass Greta auf Dich zugenommen ist und sich, für wie sie sagte, blödes Verhalten entschuldigt hat. Du schreibst : "Sie wusste gar nicht mehr richtig, wieso sie so drauf war. Es war, als hätte Thomas, als er anfing, mich zu kritisieren einfach alle aufgerufen, sich dem abzuschließen. Er ist eben immer noch der große Gockel auf den alle fliegen. Er sagt was und jeder um ihn hört auf, kritisch bzw. bei sich zu sein. Da war halt die reinste Kettenreaktion in Gang gekommen. Thomas habe ich vor vor Jahrzehnten einmal abblitzen lassen als er mir seinen Freund vorstellte und wir uns sofort ineinander verliebt hatten. Keine Ahnung, ob ihn das immer noch wurmt. Doch mir geht es jetzt wieder richtig gut. Ich bin auch auf niemanden mehr sauer. Ich kann es sogar verstehen und bin sogar irgendwie dankbar für das was geschah. Es hat doch in mir selbst einiges ausgelöst, was mich letztendlich  zu mehr Klarheit und Bewusstheit gebracht hat."

Liebe Sonja, dem Herzen zu folgen, bedeutet, sich seines Wesens bewusst zu werden, sich zu erlösen von seinen die Liebe blockierenden Mustern und seinen Vorstellungen, um als gereifter Mensch zu handeln und zu leben voller Mitgefühl, Verständnis und Liebe.

 

Herzliche Grüße

Malina

 

 

 

 

 

 

"Wie kannst du anderen dienen,

ehe du nicht dein eigenes inneres Wesen erfahren hast?

Sei dir absolut selbst der nächste!

Wenn dein eigenes inneres Licht brennt, magst du fähig sein,

deinem Nächsten zu helfen – sonst richtet deine Nächstenliebe

nur Schaden an. Und es liegt genau an den vielen Revolutionären,

den vielen Sozial- Reformern,

den vielen selbsternannten Dienern der Menschheit,

dass so viel Schaden in der Welt angerichtet wird.

Sie sind zerstörerisch, sie stiften Chaos.

Das ist nicht verwunderlich, denn sie haben angefangen,

anderen zu helfen, bevor sie ihre eigene innere Wahrheit erkannt haben.

Wenn ihr dir ein Licht brennt, kannst du es mit anderen teilen.

Aber wenn kein Licht in dir ist, wie willst du es dann mit anderen teilen?

Wie willst du etwas teilen, das du gar nicht hast?“ S.144

 

Osho

TANTRA – DIE HÖCHSTE EINSICHT“

Sannyas-Verlag

"

 

 Hier geht es zum 8. Brief an Sonja: "Angegriffen" 

 Hier geht es zum 10. Brief an Sonja: "Emotionen" 

"Keiner ist vom Ursprung her böse, meistens sind es die äußeren Einflüsse, die Bösartigkeit bewirken." S. 134

Mario Mantese

"Das Geheimnis vom weißen Stein" 

 

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