Schuldgefühle (10. Brief an Marie)
Liebe Marie,
heute möchte ich Dir etwas schreiben, wozu mir der Impuls während eines Gesprächs mit jemandem in den Sinn kam. Schuldgefühle! Der Impuls entstand daraus, dass mir dieser Bekannte erzählte, dass er einen Krimi gesehen hätte und in diesem Film ein Satz fiel, den er krass fand: „Bring einen Menschen dazu, dass er sich schuldig fühlt und Du kannst mit ihm machen, was Du willst.“ Ohne zu behaupten, ob das nun 100% ig zutrifft oder ob das übertrieben ist, will ich das Thema Schuldgefühle aufgreifen, weil es wirklich ein Thema ist, das im Grunde doch jeden betrifft und jeder schon mal Schuldgefühle hatte. Klar ist auch, dass Schuldgefühle Schwächen, richtige Energieräuber sind. Machtsysteme existieren durch Schuldgefühle und Angst. Vorweg möchte ich sagen, dass ich hier nur auf eine Art Schuldgefühle eingehe und zwar auf die, die etwas mit unserer Konditionierung zu tun haben. Ich lasse hier die Schuldgefühle aus, denen eine Tat zugrunde liegt, bei der es ein Segen sein kann, wenn Schuldgefühle überhaupt auftreten, w.z.B. bei Verbrechen durch konkrete Gewalt an einem anderen Menschen. Das können, Mord, Raub, Missbrauch usw. sein, der begangen wird, um sich entweder einen Vorteil zu verschaffen oder aufgrund einer psychischen Störung. Psychische Störung liegt natürlich bei Verbrechen immer vor, denn das Grundwesen eines Menschen sind Liebe und Mitgefühl und jeder Mensch fühlt auch Ungerechtigkeit, wenn sie ihn selbst betrifft. Schuldgefühle können helfen, Fehler zu korrigieren, indem man in die Einsicht geführt wird, wenn man den Zugang zu seinem Herzen findet oder wiederfindet. Grauenvoll ist es, wenn jemand eine Gewalttat vollbringt, z.B. einen anderen Menschen vergewaltigt oder ein Kind missbraucht unter dem Deckmantel der Liebe und statt Schuldgefühle zu entwickeln, sich derjenige befriedigt und gut fühlt und in keiner Weise Schuldbewusstsein entwickelt. Also hier möchte ich jedoch mehr auf die Schuldgefühle eingehen, die der Konditionierung aus unserer Erziehung her entspringen, die sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut haben. Diese Schuldgefühle sind psychisches Gift! Wir müssen darauf achten, dieses Gift nicht einzunehmen, weder wenn es uns durch andere verabreicht wird noch dadurch, dass wir es uns selbst verabreichen durch unsere innere künstlich aufgebaute Bewertungsinstanz, durch unsere Konditionierung und mangelnder Verbindung zu unserem Herzen. Und natürlich sollten wir auch niemanden anderen vermitteln, dass er uns was schuldet oder ein schlechtes Gewissen machen, indem wir sein Verhalten anprangern und bewerten mit der Absicht, dass er sich schlecht und unterlegen fühlt bzw. wir ihn dadurch in eine bestimmte Richtung lenken können. Veränderungen, die nicht aufgrund von innerer Einsicht und einem erweiterten Bewusstsein beruhen, führen zu noch mehr Druck und damit zu einer noch größeren Gewaltbereitschaft. Schuldgefühle aufzulösen ist wichtig zur Harmonisierung und Heilung des Innenlebens und damit der Welt! Ihnen muss Beachtung und Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nur so lassen sich die Ursachen dafür entdecken. Nur so können sie aufgedeckt werden und damit letztendlich aufgelöst. Im Zustand von Schuldgefühlen, fühlt man sich gelähmt und blockiert und das bringt niemanden weiter und heilt auch nichts. Weder klares Denken sind möglich, noch in einem Zustand zu sein, der einen Weg aus der Sackgasse zeigt. Wir alle sind dahingehend erzogen worden, bestimmte Moralvorstellungen und Verhaltensweisen, Ansichten und Bewertungskriterien zu übernehmen von Eltern, Erziehern, Lehrern u.a. Autoritäten. Wir sind erzogen worden, um in ein Bild zu passen, das die Familie, die Gesellschaft oder irgendeine Gruppe vorgibt. Wir haben uns mit diesen Vorgaben identifiziert. Sie sind zu einem entscheidenden Teil von uns geworden, zu einem Teil, der uns nun lenkt. Wir haben in uns eine Instanz, eine Autorität geschaffen, die jederzeit unser Verhalten bewertet, ob es richtig oder falsch ist, um uns wieder auf Kurs zu bringen zu dem Bild, das anderen gerecht werden soll. Wir brauchen die nicht mal fragen. Diese Instanz entscheidet schneller als wir denken können. Sie meldet sich automatisch zu „Wort“. Selbst eine Handlung, die aus dem Herzen stattgefunden hat und auch voller Klarheit ist, kann diese Instanz im Nachgang in Frage stellen und wenn wir praktisch dem Moment aus der Herzensverbindung gefallen sind, kann diese Instanz uns verunsichern. Das versucht sie auf jeden Fall, denn diese Instanz ist dicht mit dem Verstand verbunden und der Verstand, das Denken, wie ich bereits in einem vorhergehenden Brief schrieb, fühlt sich durch Neues immer verunsichert und braucht eine Weile, um es anzunehmen, um es zu verstehen, Zusammenhänge zu finden. Also, sofort in die Stille gehen und die Herzensverbindung wieder aufspüren! So wächst die erlebte Herzensverbindung. Diese autoritäre Instanz, die uns ständig bewertet, gilt es abzurüsten. Insofern kann ein Auftreten von Schuldgefühlen sogar gut sein, wenn es auftritt, nachdem wir etwas aus dem Herzen heraus getan haben bzw. einen Impuls gefolgt sind, der in der Handlung mündete. Denn dann wissen wir, dass das Schuldgefühl aus der Konditionierung stammt, die nichts mehr mit der Wahrheit zu tun hat. Wir wissen, hier liegt keine wirkliche Schuld vor, sondern ist der Wahrhaftigkeit und Wahrheit entsprungen und damit sinnvoll. Es ist sinnvoll, sich von Schuldgefühlen zu befreien und auch der einzige Weg, sich von Schuldgefühlen zu befreien unmittelbar nach dem Auftreten. Also nicht wie einen kleinen Schneeball im Schnee vor sich hin rollern, wobei er immer größer wächst und uns immer mehr Energie und Kraft raubt. Man geht in die Stille, ins Herz. Wir gehen mit dem Bewusstsein ins Herz, die Ursachen für das Auftreten des Schuldgefühls aufzudecken. Entsprachen die Schuldgefühle einer Konditionierung, aufgrund dieser selbst geschaffenen künstlichen Autorität in uns, die uns in einer starren und hörigen Position halten will, keine Veränderungen und Entwicklungen zulassen will, dann werden sie verschwinden und sich wie eine dunkle Wolke auflösen und nichts bleibt zurück. Diese Instanz muss unter Kontrolle des Herzens kommen, denn sie will uns daran hindern freie, nichtmanipulierbare, und sich selbst, den Herzen vertrauende Menschen zu sein. Diese illusorischen Konditionierungen können nicht gegen die Herzenswahrheit bestehen. Deshalb ist es wichtig, diese wahrnehmen zu lernen. Wenn wir im Herzen sind, wenn wir bewusst sind, lösen sich solchen Konditionierungen auf. Sie verschwinden im Licht des Bewusstseins. Liegt dem Schuldgefühl eine echte Tat zugrunde, eine Tat, die nicht der Liebe, dem Herzen entsprungen, sondern rein aus niederen emotionalen Beweggründen, was immer mit Angst in Verbindung steht, w.z.B. eine Gewalttat, dann wird das Herz denjenigen auch nicht im Stich lassen. Die Aufmerksamkeit muss wieder auf das Herz gerichtet werden, was natürlich ein Prozess ist. Bewusstseinsentwicklung ist ein Prozess wie das Leben auch, der immer stattfindet, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Das Herz wird Wege aufzeigen, um aus dem Schuldgefühl zu kommen, rein in die Klarheit und Verantwortung. Nur so kann Erkenntnis und Einsicht eintreten und auch Vergebung und eventuell Korrektur. In einem bewussten Zustand fühlt man den anderen nicht mehr getrennt von sich. Es ist ein Zustand von Liebe und in diesem Zustand fühlt man sich gewalt- und widerstandslos und verbunden. Einsicht hat Veränderung zur Folge. Der Weg von Saulus zu Paulus ist jedem möglich. Liebe Marie, ich schweife schon wieder weg zu Schuldgefühlen, die ich hier beiseitelassen wollte. Deshalb zurück zu denen, die einfach in uns auch herummurmeln können, ohne eine direkte Erklärung dafür zu haben. Doch je strenger und totalitärer das System war, indem wir aufwuchsen und je ängstlicher, unzufriedener und starrsinniger unsere Bezugspersonen waren, je höher ihre Erwartungen an uns waren, die uns umgaben, desto stärker ist auch die innere Instanz, die uns später bewertet und lenkt. So hat auch jeder in einer Gesellschaft aufgewachsene Mensch Schuldgefühle, die mehr oder weniger ausgeprägt sein können und der Auslöser dafür kann natürlich auch verschieden sein. Das sehr kleine Kind, gerade dem Säuglingsalter entsprungen bei dem die Konditionierung bereits voll im Gang ist, jedoch noch nicht zu einer Instanz geworden ist, kennt keine Schuldgefühle. Es schmeißt z.B. alle Töpfe aus dem Schrank und reißt die Schublade auf und holt alles, was es darin finden kann heraus. Kennt ja jeder, der Kinder hat. Oder es mag aus herumstehenden Blumentöpfen mit den Händen die Erde aus dem Topf holen und auf dem guten Teppich verstreuen. Macht ja Spaß, mit Erde zu spielen. Die Mama sagt, dass es das nicht machen soll, je nach momentaner eigener Verfassung mal sehr ruhig, dann vielleicht mal lauter, mal freundlich und mal genervt. Auf jeden Fall soll es das nicht tun. Für einen Moment schaut das Kind, je nachdem, was die Mama für ein Gesicht drauf hat unsicher oder sogar lächelnd an. Mama dreht sich rum und macht irgendwas und schon nutzt das Kind die Gelegenheit und stürzt sich gleich wieder an die Blumentöpfe, weil es sich ja so gut anfühlt, in die Erde zu fassen. Außerdem hat es längt vergessen, dass es das nicht darf. Ist das Kind dann etwas älter, wird es das nicht mehr tun, denn es weiß, dass das nicht in Ordnung ist und Mama das nicht will. Es hat es begriffen. Es lässt es sein. Doch plötzlich fällt der Blumentopf beim Spielen mit Freunden um und die Erde wird auf dem Fußboden verschüttet und was passiert? Das Kind erschrickt. Sich erschrecken ist oft eine Begleiterscheinung vom auftretende Schuldgefühl. Die Mutter kommt rein und sieht das Malheur, doch auch, dass das sicher versehentlich passiert ist. Doch das war bisher noch nicht geschehen, dass die Erde versehentlich auf den Fußboden kam und das Kind denkt nur, dass das ja nicht sein darf und sofort werden Schuldgefühle aktiv. Es fühlt sich schuldig. Es hatte oft genug gehört, dass es sich von den Blumentöpfen fern halten soll und nun war es passiert. Nun weint das Kind vielleicht sofort als Schutz, damit nicht mit ihm geschimpft wird oder es rechtfertigt sich sofort und sucht nach einer Geschichte, dass es ja nichts dafür kann. Vielleicht sagt es, dass es geschubst wurde, obwohl es gar nicht stimmt. Die Mutter tröstet das Kind im Idealfall und erklärt, dass das passieren kann. Im Nichtidealfall, wenn das Kind nur einen kritischen Blick empfängt oder es wird noch geschimpft, wächst die Pflanze Schuldgefühl noch schneller. Im Laufe der Jahre wächst die Pflanze Schuldgefühl immer weiter mit dem Aufbau der Instanz Autorität im Inneren. Sie wächst einfach dadurch, da für das Kind ja von Anfang an eine Rolle mit Normen und Regeln vorbestimmt ist, in die es reinzuwachsen hat. Der individuelle Spielraum ist ziemlich eng gefasst. Er entspricht der gesellschaftlichen Struktur, der sich ja auch die Familie angepasst ist. Ihm wird gelehrt, wie es sich zu verhalten hat, wie es zu denken und zu fühlen hat. Es erfährt, was richtig und was falsch, was moralisch und was unmoralisch ist. Darüber vergisst es immer mehr sich selbst. Es lebt seine Rolle. Das eigene Gespür von richtig und falsch, von dem, was wirklich gut tut und was nicht geht verloren. Die eigenen Bedürfnisse und Talente werden überschüttet und überlagert von dieser Instanz. Schuldgefühle gehen natürlich immer mit Unsicherheit und Angst einher. Um raus aus der Falle zu kommen, diese Gefühle länger spüren zu müssen, wird sich später gerne Autoritäten im Außen unterworfen oder sich in Gruppen eingefügt bis hin zu Sekten und Banden. Dann hat man ja keine Schuld mehr, egal was passiert. Der Chef hat schließlich gesagt, man soll es so oder so bzw. das machen und dann wird das eben so gemacht. Es wird sich gut und verantwortlich dabei gefühlt, weil man seine Aufgabe gut erledigt und den Anweisungen Folge leistet. Noch schlimmer ist die Gruppe, der man sich angeschlossen hat. Dann hat nämlich niemand Schuld. Man badet ist der Kraft der Gruppe und lehnt sich im Grunde genommen zurück. Verantwortung ist ausgeschaltet. Massenmorde, Massenvergewaltigungen, Massenplünderungen, Massenmanipulationen, Massendiebstähle uws. verlieren dem Moment ihren Schrecken, weil man ja als einzelner nicht die Verantwortung für seine Taten trägt. Marie, Du fragst, wenn so eine autoritäre, über einen wachende Instanz nicht mehr da ist, kann es da nicht passieren, dass Verbrechen passieren und man fühlt sich erst recht nicht verantwortlich für seine Handlungen? Ist diese Instanz nicht auch Schutz? Schützt sie nicht davor, Unrechtes zu tun? Liebe Marie, nun mal Hand aufs Herz! Wieso passiert denn so viel Unrecht in der Welt? Wo sind diese Instanzen, wenn pädophile Priester ihre ihnen anvertrauten Schützlinge massenhaft missbrauchen. Wo ist diese Instanz, wenn Morde aus Eifersucht und Habgier passieren? Wo ist diese Instanz, wenn Menschen mit einem Gewehr in den Krieg ziehen und Menschen töten, die ihnen nichts getan haben? Wo ist diese Instanz, wenn……? Warum fühlen sich viele Menschen so oft unwohl in ihrer Haut? Warum, haben wir nicht einen wunderbaren Ort, wo alle Menschen mit Liebe und Weisheit erfüllt sind und dadurch das Leben bestimmt und getragen wird? Nein Marie, diese Instanz ist so wie sie ist zum größten Teil, wenn nicht ganz abrissbedürftig bis aufs Fundament. Selbst das Fundament muss neu gelegt werden. Es muss neu gelegt werden vom Herzen. Nur, wenn wir aus dem Herzen leben, brauchen wir diese autoritäre Instanz, dieses geschaffene Über-Ich nicht. Aus dem Herzen zu entscheiden und zu handeln, bedeutet der augenblicklichen Situation immer angemessen zu handeln. Das Über-ICH wird durch das HOHE Selbst, durch das Herz übernommen. Für den neuen Menschen, den Menschen auf einer höheren Bewusstseinsstufe wird diese Instanz überflüssig. Wenn das Ich aufhört bedeutend zu sein, dann das Über-Ich ebenfalls. Das, was höher ist als das, was wir denken, was und wer wir sind, hat den größeren Überblick. Wenn es ein Über- gibt, dann ist es ein Über-Wir. Das ist nur durch das Herz erreichbar, weil das Herz mit den Herzen aller verbunden ist und keine Trennung kennt. Eine Handlung im Sinne des Einzelnen ist dann immer eine Handlung im Sinne aller. Es ist eine Handlung aus erlebter Liebe.
Von Herzen Malina
Wurzeln schlagen
Wer hochhhinaus Wachsen will, DemLLicht entgegen, Muss tief nach unten, Ins Dunkle gehn Und weit verzweigte Wurzeln schlagen.
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"Man kann eine Täuschung nicht ausradieren. Man kann nur die Täuschung selbst begreifen und durchschauen." S. 69 Ken Wilber "Wege zum Selbst" Goldmann Verlag "Wir werden nicht dadurch gut, dass wir versuchen gut zu sein, sondern indem wir die Güte wiederfinden, die bereits in uns angelegt ist, und zulassen, dass sie hervorscheint. Sie kann aber nur dann hervorscheinen, wenn eine fundamentale Bewusstseinsveränderung Eintritt. "s. 24 Eckhart Tolle " Eine neue Erde" arkana verlag " Wenn einmal die Schuld verschwindet, wirst du ein völlig anderes Leben führen, ein leuchtendes und strahlendes Leben." Osho "Selbstfindung heißt deshalb in Fühling mit sich selbst kommen, sich dem eigenen inneren zu stellen. Wer bin ich selbst?" Peter Lauster "Selbstfindung" "Die Aufmerksamkeit ist weiser als das Denken. In Achtsamkeit empfinde ich Achtung vor dem, was geschieht." S.175 Peter Lauster "Die Liebe"
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