Malecke (12. Brief Sonja) 

 

 

 Liebe Sonja,

 

Du hast Dir zu Hause eine Malecke eingerichtet, wo Du einfach nach Lust und Laune mit Farben auf dem Papier spielst und dem Entstehen des Bildes folgst. Du schreibst: „Es ist für mich ein heiliger Ort. Es ist für mich inzwischen ein ganz intimer Ort geworden. Da darf auch kein anderer unerlaubt eintreten. Es ist ein wunderbarer Rückzugsort. Ich liebe ihn. Ich fühl mich wohl, auch einfach mal so zwischen Farben, Leinwänden, Pinseln und gemalten Bildern einfach so zu sitzen ohne jegliche Absicht, malen zu wollen. Manchmal sitze ich einfach da und bin still oder lege mir eine CD ein und tanze, bevor ich mit dem Malen beginne. Es macht mir riesengroßen Spaß, weil ich mich unbeobachtet fühle und niemandem meine Werke zeigen muss. Ich bestimme, was ich wann tue und auch mein Tempo und überhaupt, das wann und das wie entsprechend meines Herzens. Ich fühle eine große Anziehungskraft zu dem, was ich male. Es magnetisiert mich fast. Manchmal schaue ich viel länger auf das Gemalte als ich male. Ich sehe darin immer etwas, das ich nicht erklären kann. Es zieht mich in sich hinein. Es macht immer was mit mir und ich komme immer in tiefe Entspannung. Manchmal fange ich vor dem Bild einfach zu weinen an. Manchmal bekomme ich auch Wut. Ein paar Tage später kann es, sein, dass ich große Freude beim Blick darauf empfinde, obwohl ich gar nichts mehr an dem Bild gemacht habe. Ich habe es nur immer wieder angeschaut. Manchmal versetzt mich mein Gemaltes einfach nur in Staunen und bin einfach berührt. Manchmal kommen Erinnerungen, von denen ich nichts wusste, dass sie zu mir gehören. Manchmal höre ich mitten während des Malen auf und stelle das Bild weg und erst nach Tagen oder Wochen hole ich es wieder hervor und plötzlich ist es ganz leicht, daran weiter zu malen und ich fühle mich mit Dankbarkeit erfüllt. Es ist, als ob dann nicht nur das Bild fertig geworden ist, sondern parallel etwas in mir. Ich erfahre so viel durch das Malen aus dem Herzen und das bringt mich oft in ein tiefes Schweigen. Es bereichert mich. Mir gefallen meine Bilder. Wenn ich am Ende des Malens eines Bildes mich wohl und stimmig fühle, empfinde ich die gleiche Stimmigkeit in dem Bild. Solange ich dieses Empfinden nicht habe, ist das Bild nicht fertig. Am Ende sind das Bild und ich eine harmonische Einheit.“

Sonja, Danke für Deine Beischreibung. Es ist ein Zeichen, dass das Malen für Dich richtig ist. Man muss das für sich Richtige gefunden haben, um etwas so beschreiben zu können und das hast Du. Ob das für immer so bleibt oder nur für eine Lebensphase besteht, ist unwichtig, denn wenn wir im Moment etwas für uns so Gutes tun, warum sollten wir es nicht weiterhin tun können, selbst, wenn es nicht immer das Gleiche ist. Doch wenn wir mit dem Herzen fließen, fließt uns das für uns Richtige praktisch immer wieder zu, dass, worin wir uns weiter entfalten und entdecken können oder etwas mit Freude für andere tun. Was immer wir mit Freude tun, ist auch gleichzeitig immer für die Gemeinschaft, da wir Teil der großen Gemeinschaft sind und deren Wohlbefinden mit uns als Glied mitbestimmen. Was im feinstofflichen Bereich abläuft, ist bei weitem größer und tiefgreifender als das, was wir mit unserem physischen Auge sehen können und mit unserem Denken einordnen.

Bei dieser Art zu malen, beim Malen aus dem Herzen begibst Du Dich in einen Prozess. Du malst aus Berührung und Bewegung heraus. Es ist ein lebendiges Malen. Ich empfehle es deshalb auch immer wieder gern. Doch nicht jeder hat Lust zu malen. Jedermann kann jedoch das finden, wodurch er Zugang zu seiner Kreativität und zu seiner Intuition findet und damit sich weiter befreit von in ihm festgefahrenen Strukturen und Gedankenmustern oder einfach sich in einem guten entspannten schöpferischen Zustand bringt. Wenn Du ohne Ehrgeiz malst, dann malst Du nichts, was der Verstand will. Mit dem Verstand kannst Du ohne Frage, Bilder schaffen, die äußerst gekonnt und kontrolliert wirken.

Doch die lebendigsten Bilder, die auch diesen Hauch des beseelten widerspiegeln, fließen aus der Seele.

Nicht umsonst wird Malen auch in der Psychotherapie angewendet. Das Alleine Malen oder auch in der Gruppe ohne Analyse der Bilder halte ich für am besten. Alles andere stört schon wieder. Bewertungen trennen denn Prozess und eine Spaltung tritt ein. Was willst Du auch alte Erfahrungen oder die von anderen in diesen Augenblick des Ausdrucks mischen lassen. Es geschieht sofort eine Trennung durch Bewertung. Außerdem ändert sich jeden Augenblick alles wieder, da alles weiter fließt. Nur der Verstand hält gerne fest. Das Ego lechzt danach, alles bewerten und analysieren zu wollen. Es will immer wieder zerstören, damit neue Gedanken produziert werden. Er braucht den Zwiespalt. Doch wir haben auch die Gabe, den Verstand ruhen zu lassen, indem wir Gedanken keine Aufmerksamkeit schenken. Wir können sie beobachten wie bunte Schmetterlinge, die durch die Luft flattern.

 Wenn Du alleine malst, lässt Deine Seele nur soviel an Auflösung von Mustern zu, sofern das angesagt ist, wie Du auch annehmen kannst.

In meinem Briefen an Marie, die Du ja gelesen hast, schrieb ich bereits, wenn ich mit mehreren Personen male, geht es mir nur darum, den Seelenkontakt zu halten, um nur da zu reagieren oder etwas zu lenken, wie ich es aus dem Moment heraus wahrnehme. Malen und Meditation bilden eine Einheit und diese aufrechtzuerhalten, halte ich für entscheidend.Für so eine Malecke oder auch Malplatz braucht man nicht mal viel. Der Platz sollte idealerweise hell und freundlich sein. Wer sich natürlich an dunklen Plätzen wohler fühlt, was eher selten ist, der kann ja mal so anfangen. Übrigens ist es auch eine interessante Erfahrung mal im Dunkeln zu malen. Dann möglichst nicht mit flüssigen Farben, ansonsten hat man vielleicht am Ende zwar schöne Marmorierungen auf dem Fußboden und bunte Kleidung, doch dies wird eher nicht erwünscht sein. Doch mit Kreide oder Kohle auf großen Bögen Papier oder Karton können recht ausdrucksstarke Bilder entstehen.

Übrigens möchte ich betonen, dass es beim Malen aus dem Herzen nicht um Blockadenlösungen geht, doch weil ein zutiefst entspannt - meditativer Zustand erreicht werden kann, kann es passieren. Transformation passiert auch unmerklich, einfach durch den hochschwingenden Zustand. Wo die Sonne scheint, da schmilzt das Eis.

Das Malen aus dem Herzen macht einfach Spaß und bringt beseelte Bilder hervor, die der Seele wohltun.

Sonja, es ist schön, dass Du Gefallen am Experimentieren und Entdecken gefunden hast.

Hast Du nicht auch den Eindruck, dass sich plötzlich alles, was Du tust bis hin zu Deinem Gesamtverhalten alles kreativer, lebendiger und spannender anfühlt und das bis hin zu den einfachsten Tätigkeiten wie Staub wischen oder einen Brief öffnen, die Fenster putzen oder den Tisch decken?

Vergiss nicht, die Pinsel nach dem Malen immer ordentlich auszuwaschen. Du weißt, wenn die Acryfarbe im Pinsel erst Mal fest und hart geworden ist, kannst Du sie wegschmeißen.

 

 

Herzlichst

 Malina

 

 

 

 

 

 

"Kreativität bedeutet einfach, total entspannt zu sein.

  Es bedeutet nicht Untätigkeit,

 es bedeutet Entspannung – denn aus der Entspannung

 entsteht viel Tun, aber du machst es nicht.

 Du bist nur ein Werkzeug.

 Ein Lied fängt an, durch dich hindurchzufließen,

 aber du bist nicht sein Schöpfer;

 es kommt vom Jenseits.

 Es kommt immer vom Jenseits.“

 

Osho

„Intuition“

Allegria Verlag

 

 

 

 

 

 

  Hier geht es zum 11. Brief an Sonja: "Angst" 

  Hier geht es zum 13. Brief an Sonja: "Mein Wertgefühl" 

 

 

 

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