Der Tod ist.... (13.Brief an Marie) 

 

 

Liebe Marie,

 

vor einigen Tagen verlor ich plötzlich und natürlich unerwartet eine liebe Freundin. Ich möchte heute mein Empfinden, das mich dabei begleitete, in Worte für Dich, für sie und für mich fassen, was natürlich kaum möglich ist, doch wohltuend. Doch das Schreiben ist für mich eine Art Meditation. 

Der Tod ist, wo Du bist wie das Leben auch. Untrennbar verbunden gehen sie Hand in Hand. Wir können ihm niemals entfliehen. 

Liebe Marie, die Sonne stirbt nicht, auch wenn sie untergeht und wir sie nicht mehr sehen. Ihre Strahlen können uns nicht mehr wärmen und doch sind sie noch warm. 

Marie, Leben und Tod werden wir nie ganz durchschauen, auch wenn wir daraus hervorgegangen sind und daraus jeden Augenblick neu entstehen.

Das Mysterium müssen wir akzeptieren, auch wenn es uns manchmal besonders schwer fällt. Besonders fällt es uns schwer, wenn ein Mensch, dem wir uns Nahe fühlten, plötzlich aus der Welt tritt und das sich in uns  wie ein Loch oder vielmehr wie ein großer Raum anfühlt. Plötzlich ist etwas nicht mehr da, was vorher so selbstverständlich und unendlich erscheinend war. Es war alles so eingespielt und klar und dann ist alles ganz anders von einem Augenblick zum anderen.

In dem Moment, in dem wir ins irdische Leben treten mit unserer Geburt, geht der Tod mit uns auf Schritt und Tritt. Wir sind mit ihm verwoben. Ohne ihn könnten wir die Jugend nicht erreichen, die Lebensmitte wäre uns nicht vergönnt, kein graues Haar könnte sich entfalten und wie schön es ist, wenn der Tag zu Ende ist und selbst wie die Sonne unterzugehen, um woanders aufzuerstehen würden wir nicht erfahren.

Doch alles geht so fließend einher, dass wir den Tod dabei selbst an uns nicht spüren. Doch in dem Moment, wo die Seele den Körper eines geliebten Menschen wieder verlässt, fühlen wir uns verlassen. Das vertraute Lachen fehlt. Die Freude, sich zu sehen ist nicht mehr. Das Vergnügen am geistigen Austausch während des Spazierengehens kommt nicht zurück. Ich denke an jemanden – Ich bin da: „Ich wusste nicht, wann du gehst und du wusstest nicht, wann du gehst und ich weiß, du hattest es nicht vor. Du hast das Leben geliebt und warst mit Dankbarkeit erfüllt. Freude über jeden Tag strahlte aus dir und du warst voller Vertrauen in das, was geschieht, denn du fühltest die Engel immer bei dir.“

Die Seele weiß, wann sie zu gehen hat, weiß, wann ihre Zeit gekommen ist für ein neues Leben, für Wachstum und Reifung und Freude anderswo. Sie haftet an nichts. Sie haftet nicht an Illusionen, nicht an Gedanken, nicht an Dingen, nicht an das Menschsein. Sie will sich weiter entfalten, weiter gehen. Wenn sie das nicht wollte und dazu nicht fähig wäre, gäbe es dann uns Menschen überhaupt? Sie sieht Türen sich schließen und öffnen und weiß, was gut für sie und das Ganze ist. Des Menschen Maßstab ist ihr nicht zur Hand, denn dann würde sie verkümmern und das Menschsein wäre umsonst. Sie Seele will nicht festgehalten sein, nicht eingesperrt werden, weder in Gedanken noch in Vorstellungen und auch nicht im Körper. Sie geht mit Freude in den Körper, doch will ihn als Hilfsmittel und nicht seine Gefangene sein. Sie will sich ausdrücken und erfahren überall und durch alles. Meine Gedanken sind bei ihr und allem.

"Die Wege, die wir einst entlang gegangen durch Wald und Flur, ging ich heut allein. Wir gingen sie an diesem Tag, an diesem Wochentag. Doch unsere sind vergangen.

Nie wieder werden wir gemeinsam diese Wege gehen und neu entdecken können. Der Tod ist endgültig! Doch deinen Gruß habe ich empfangen durch den kleinen Schmetterling der seit Tagen schon um mich tanzt. Ich weiß genau, dass du ihn hast gesandt und ein Stück von dir in ihm für mich tanzt, damit die Trauer um den Verlust auch Freude ist." 

Liebe Marie, ich hoffe, Du kommst mit meiner heutigen Schreibweise klar, denn ich schreibe heute irgendwie an euch beide in einem Brief. Du hast es sicher bemerkt.

Der Tod lehrt uns so unermesslich viel. Vor allem lehrt er uns, dass wir keine Zeit haben, etwas aufzuschieben von dem wir fühlen, dass es jetzt das Wichtigste und für uns Richtigste ist. Es gibt keine Zeit und der Tod richtet sich nicht nach unseren Wünschen und Vorstellungen oder danach, dass wir ja noch etwas erledigen wollten, jemanden noch etwas sagen, bevor man nicht mehr ist und die Chance damit vertan. Auch der geplante nächste Urlaub interessiert ihn nicht. Auch wenn Du das Gefühl hast, versäumt zu haben, zu tun, was in Deinem Herzen rief, interessiert den Tod nicht.

Ja, Marie, es ist einfach wichtig, nach dem Herzen in jedem Augenblick zu gehen, dem Herzen zu folgen, dann haben wir nichts verpasst, zu tun. In jedem Augenblick geschieht genau das, was das Herz will. Das ist immer das Höchste. Das erspart uns natürlich nicht die Trauer. Trauer gehört dazu. Sie transformiert uns gleichzeitig. In der Trauer tauchen wir tief in unsere Seele, lassen sie auftauchen. Trauer macht uns still und in dieser Stille spüren wir das ewig Existierende, das ewig Lebende und das der Tod nicht wirklich existiert, sondern nur eine Erscheinung des ewigen Lebens ist. Es gibt nur Transformation und je weniger wir außenorientiert sind, desto intensiver erleben wir sie bewusst. Mit nach außen orientiert meine ich vor allen Dingen, dass wir keine Stimme und keine Autorität höher als die unseres eigenen Herzens stellen. Nur so erleben wir uns vom Lebensfluss getragen und nicht am Rande stehend, wo wir können nichts ertragen. 

Liebe Marie, gestern ging ich den ganzen Tag durch Wald und Flur und die Trauer war mit mir, durchdrang mein ganzes Wesen und füllte es sogleich mit Liebe , die unendlich ist und ich kann heute sagen, es war ein wundervoller Tag.

 

Von Herzen

Malina

 

"Der Tod ist nicht das Ende.

Er ist der Anfang

eines neuen Lebens." 

 

Osho

 


 

 

 Hier geht es zum 12. Brief an Marie: "Offenees Herz"

   Hier geht es zum 14. Brief an Marie: "Wertschätzung"

 

 

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