Herz & Bauch (4. Brief an Sonja)
Liebe Sonja,
Du fragst, ob Du grundsätzlich nach Deinem Bauchgefühl handeln kannst, Du diesem in jeden Fall vertrauen kannst und ob dieses mit dem sogenannten Herzensimpuls bzw. Herzensgefühl identisch ist? Du möchtest wissen, ob das bedeutet, wenn Du Dich z. B. in der Nähe von jemandem nicht wohl fühlst, möglichst schnell das Weite suchen solltest, soweit es möglich ist, damit das Gefühl sich wieder wandeln kann. Diese Fragen beschäftigen Dich immer noch in Verbindung mit Gerald. Dein Bauchgefühl ist schon Jahre nicht besonders gut, wegen dieser Defizite, die Du fühlst, doch Du denkst immer noch an den Spruch von Deiner Großmutter, die immer gesagt hat: „Das Gefühl ist ein schlechter Ratgeber.“ Liebe Sonja, ganz unrecht hat Deine Großmutter da nicht gehabt, doch nur einerseits. Du sollst niemals Dein Bauchgefühl ignorieren, sondern ihm durchaus Aufmerksamkeit schenken. Im Bauchgefühl liegt ja auch etwas sehr existenzielles. Wenn Du z.B. durch einen dunklen Wald gehst, wirst Du versuchen, recht wach zu sein, weil Du so wenig mit Deinen Augen sehen kannst. Wenn sich Dir eine Gefahr nähert, wirst Du das vom Bauch her spüren und kannst reagieren. Auch wenn Du unterwegs bist und ein Unwetter bahnt sich an, wirst Du es, wenn Du feinfühlig bist, rechtzeitig spüren und nach Hause eilen, bevor es Dich erwischt. Wir können diese Bedrohungen genauso spüren wie Tiere über ihre Instinkte. Sogar Pflanzen reagieren auf Gefahren und gleichermaßen reagieren wir auch auf Schönes, uns Wohltuendes. Insofern, ist unser Bauchgefühl wunderbar, denn es regt uns zu schnellem Handeln an. Wir sind aber über die Pflanzen- und Tierstufe bereits hinausgewachsen und unser Bauchgefühl signalisiert uns nicht nur reale Gefahren, sondern auch viele die aus unseren Gedankenmustern entspringen. Deshalb ist diese Wachheit als Ganzes wichtig und dass wir stets, ob nun was Schönes oder Unangenehmes, etwas wirklich Gefährliches oder nur als gefährlich Empfundenes anliegt, im Herzen präsent zu sind und diesen Kontakt nie ganz abreißen lassen. Das ist auch etwas, das uns Menschen ausmacht. Das Herz führt uns auch in Situationen, die wir als Gefahr empfinden können, dabei geht es nur um die Auflösung eines Gedankenmusters, welches uns Gefahr signalisiert. Es will uns von unseren Pseudoängsten befreien. Ratgeber sollte deshalb die höhere Instanz sein und das ist Dein Herz. Aus einem Strudel von Gefühlen richtig, zu Deinem Wohlergehen und dem anderer zu handeln, ist nicht gerade einfach. Es wird Dir auch nicht gelingen, immer jeder unangenehmen Begegnung auszuweichen oder in einer angenehmen zu bleiben. Das würde uns vielleicht allen gefallen, doch es ist nicht möglich und auch unserer seelischen Entwicklung nicht dienlich. Bauchgefühl und Herzenswahrnehmung sind nicht identisch. Die Stimme Deines Herzens kannst Du nur klar wahrnehmen, wenn Du nicht in Emotionen badest. In solchen Momenten bist Du nicht bei Dir, sondern Du bist in Emotionen unterwegs. Sonja, ich kann in einer Sache bzw. Situation oder Begegnung ein unangenehmes Bauchgefühl haben und gleichzeitig vom Herzen her eine absolute Stimmigkeit empfinden, wenn ich gleichzeitig bei mir bin. Der Bauch sagt, dass ich mich hier unwohl fühle und weg will und das Herz sagt: „Bleib!“ Es sagt: „Bleib“, wenn keine reale Gefahrensituation vorliegt. Mein Bauchgefühl sagt vielleicht in Wut etwas bzw. möchte etwas sagen, was einen anderen verletzen würde, weil man sich gerade selbst verletzt fühlt und man seinen Schmerz gerade nicht ertragen kann, doch das Herz sagt: „Schweig!“ Darin liegt kein Widerspruch. Der Bauch ist in der Mitte unseres Körpers angesiedelt, praktisch zwischen oben und unten. Dort sitzen und erleben wir unsere Emotionen. Im Grunde sind Emotionen alles kleine und große Wolken, die aus unserem Erleben, unserer Erfahrungen und Prägungen entstanden sind und je nach Situation aktiviert werden. Auch unsere Biologie spielt dort mit hinein. Es ist ein riesengroßer Mischmasch. Unsere Emotionen sind weder positiv noch negativ, auch wenn wir sie durch unsere Bewertungsinstanz dahingehend unterscheiden. Wir unterscheiden sie entsprechend unseres Wohlbefindens, das sie gerade auslösen. Sie sind einfach und signalisieren uns etwas. Sie sind Signale. Sie liefern uns Botschaften. Sie sagen etwas über unseren Zustand aus. Doch wie wir letztendlich handeln sollen, entspringt unserem Herzen. Das ist der Ort, wo die Weisheit zu Hause ist. Es ist der Ort, wo die Liebe wohnt und uns nähren will. Es ist der Ort, woraus wir die Signale für unser Handeln erfahren und diese Handlungen werden so immer von Mitgefühl und Liebe durchdrungen sein. Es geschieht das Richtige. Das Richtige ist nicht immer das, was für ein Ego das Richtige ist. Es kann sogar dahingehend für einen Moment verletzend wirken, doch es geht nur darum, es weiter aufzulösen. Das Herz schickt uns auch in unangenehme Situationen, bis wir z. B. eine bestimmte Lektion gelernt haben bzw. etwas erkannt haben. Es dient unserer Heilung und unserer Befreiung von seelischen Belastungen. Vielleicht mal ein Beispiel aus meinem Leben dazu, wo unangenehmes Bauchgefühl und Herzensliebe gleichzeitig präsent sind. Es war während einiger Jahre in meinem Leben so, dass ich mehrmals im Jahr die Darshans eines kosmischen Meisters besuchte. Ich wurde dorthin geführt. Auch wenn es Menschen waren, durch die ich zu ihm fand, war es doch ausschließlich mein eigenes Herz. Naja oder der Meister fand mich. Das spürte ich ganz einfach an meinem Erleben, das hier etwas geschah, das mich tief berührte und auch im Laufe der Zeit tiefe Erinnerungen in mir entfachte. Ich habe mich dort nie wohlgefühlt. In meinem Bauch war jedes Mal regelrecht der Teufel los. Gleichzeitig fühlte ich eine große Liebe zu diesem Meister, selbst, wenn ich diese nicht in jeden Moment wahrnahm, weil die Emotionen in mir so stark hausten. Ich erlebte jedes Mal etwas sehr Einschneidendes. Bei den Darshans war es so, dass nach und nach die Leute von ihren Plätzen aufgestanden sind und vor den Meister hintraten. Einmal war es so, dass, je näher ich ihm kam, meine Panik immer größer würde. Ich spürte, wie ich danach suchte, mich irgendwo festzuhalten ohne genau zu wissen warum. Ich dachte nur noch, ich muss mich jetzt festhalten. Nach meinem bloßem Bauchgefühl hätte ich umdrehen müssen und weglaufen, denn ich spürte eine große Gefahr. Doch ich ging weiter auf ihn zu. Dann stand ich vor ihm und schaute ihn in seine Augen und sein Blick durchdrang mich und schwupp stürzte ich aus mir heraus. Ich spürte, wie ich aus meinem Körper fiel. Nichts war mehr da, wo ich mich dran festhalten und orientieren konnte. Du musst Dir vorstellen, Du bist in einem großen Haus zu Hause. Dieses Haus ist Dir vertraut und schenkt Dir Sicherheit und Geborgenheit, selbst wenn Du Dich nicht immer darin ganz wohl fühlst. Doch es ist Dir vertraut und Du kennst Dich darin aus. Und plötzlich siehst Du Dich stehend im obersten Stockwerk Deines Hauses am offenen Fenster. Plötzlich stürzt Du ab, raus aus dem Fenster, raus aus dem Haus. Niemand hat Dich gestoßen und doch war eine Kraft da, die Dich abstürzen lies….. Ich war im Nichts. Ich war Nichts. Was war passiert? Das Ego ist abgestürzt. Ich bin aus dem Verstand gefallen. Das war mir natürlich nicht gleich bewusst. Das kam erst später. Mein Herz war trotz meines komischen Bauchgefühls immer offen für die Begegnung mit dem Meister. Er war Magnetismus. Es wusste genau, warum es mich mit ihm konfrontiert. Wäre mein Herz verschlossen, hätte ich auch heim bleiben können. Vielleicht hätte ich in seiner Nähe oder überhaupt, weil ich dort war ein paar angenehme Gefühle gehabt, weil sich vielleicht mein Ego gestreichelt gefühlt hätte, doch es wäre nicht sehr viel geschehen in Richtung Transformation und Bewusstwerdung. Mein Herz war offen und so war ich erreichbar. Wenn das Fenster geschlossen ist, kann man nicht herausfallen und von draußen kann einem auch kein Windzug erreichen. Die Liebe konnte mich erreichen und mich aus Gedankenmuster lösen. Doch ich erlebte auch ganz intensiv immer wieder große Ladungen an Liebe, die er regelrecht in mein Herz geworfen hat. So fühlte es sich jedenfalls an. Einmal ging ich an ihm vorbei und ich spürte, wie er mir eine Ladung Liebe in mein Herz wirft, dass ich diese als ein Ding spürte, das in mich flog und sich dann in mir rasant ausdehnte. Ich habe mich nie zu vor in meinem Leben so geliebt gefühlt und so ebenbürtig jemanden gegenüber. Das Gefühl von angekommen und zu Hause sein, erlebte ich oft sehr intensiv, trotz der intensiven Prozesse, die mir dieses unangenehme Bauchgefühl verursachten. Liebe Sonja, nicht die Emotionen sollen uns lenken und bestimmen, sondern immer das Herz. Das Herz ist es, das uns aus allen unangenehmen Situationen führen kann und will. Emotionen sind letztendlich das, was beim Auto die rote Lampe ist, die aufleuchtet, wenn was nicht stimmt oder sich eine Erinnerung meldet. Emotionen sind auch da, wenn wir verliebt sind. Doch auch da sollten wir unserem Herzen folgen und nicht der Emotion. Wir sind ja auch keine Karnickel, die bei sexuellen Regungen und Gefühlen, gleich auf einander springen sollen und wollen. Hier mal ein fiktives Beispiel. Nimm an, jemand ist verheiratet und hat zwei Kinder und führt auch eine gute Ehe und er ist auch grundsätzlich zufrieden. Doch auch er oder natürlich auch sie ist nicht gefeit davor, sich nicht mehr in jemand anderen zu verlieben und wenn es immer Mal wieder nur für einen Augenblick ist. Stell Dir vor, es passiert gerade, nachdem das Paar einen Streit hatte, weil sie abgenervt von der Arbeit kam und sieht, dass er schon wieder im Wohnzimmer geraucht hat, obwohl sie ihm schon 100 Mal gesagt hat, dass er das gefälligst auf der Terrasse tun soll. Er, genervt von ihrem Genöl sagt, dass er einkaufen geht, um wegzukommen. Er will nicht streiten. Er will an die frische Luft und eine rauchen. Kurz vor dem Geschäft, noch in Gedanken an die Situation mit seiner Frau stößt er mit einer aus dem Laden heraus kommenden schönen Frau zusammen. Ihre Blicke treffen sich und beide fühlen sich entzündet. Im Bauch tanzen sofort 1000 Schmetterlinge. Aus so einer Situation kann sich Verschiedenes entwickeln. Was sich daraus entwickeln soll, weiß das Herz. Deshalb ist es wichtig, diese oberste Instanz niemals zu vergessen und zu verlassen. Denn dann kann sich aus etwas Schönem schnell Unheil entwickeln. Dieser Mann wird, wenn er sich der Liebe zu seiner Frau bewusst ist und diese tief und echt ist, auch in schwierigen Zeiten, diese Gefühle einfach annehmen und genießen, ohne dass sich daraus eine Gier entwickelt. Er wird beflügelt nach seinem Einkauf nach Hause gehen und seiner Frau sagen, dass er ab sofort nur noch auf der Terrasse raucht, weil er ja weiß, dass der Geruch für sie und die Kinder nicht schön ist und gesund sowieso nicht. Er fühlt die Begegnung mit dieser Frau noch in sich nach schwingen, doch er fühlt sich nicht zu ihr hingezogen, weil er keinen Mangel fühlt, sondern Dankbarkeit für das, was er hat und auch für diese inspirierende Begegnung. Also, er rennt auch nicht nach Hause und erzählt seiner Frau, dass er sich gerade von Kopf bis Fuß in eine andere Frau verliebt gefühlt hat, dass er sich von schönen Gefühlen durchströmt gefühlt hat und diese Gefühle noch immer da sind. Das hat dann nichts mit mangelndem Vertrauen zu tun, sondern mit Mitgefühl und Verantwortung. Durchaus ist es möglich, sich unabhängig von einer aktuellen Situation über sowas zu unterhalten und wie man mit seinen Gefühlen umgeht, wenn es spontan entsteht. Sie tauschen sich aus über das Menschliche, das immer wieder geschehen kann. Passiert so etwas jemanden, der sehr labil ist und immer und ewig Bestätigung im außen sucht und eroberungslüstern ist und auch den Reiz des Neuen immer auskosten will, weil er sich selbst ansonsten langweilig und öde fühlt, wird er vielleicht versuchen, gleich ein Date zu machen und beginnt bald darauf hin, seine Frau zu betrügen und den Zusammenbruch der Familie einzuleiten. Doch wenn das Herz, das immer mehr sieht und wach ist, selbst wenn wir schlafen, das nicht will, wird es darauf achten, dass sich daraus keine nähere Beziehung entwickelt. Das Herz weiß, was notwendig ist. Es kann es auch verhindern, indem es z.B. den weiteren Kontakt nicht zulässt. Doch in schweren Fällen werden die Seelen es zulassen, wenn sie merken, dass jemand noch mehr in den Schmerz kommen muss, um aufzuwachen, um den Unsinn seines Verhaltens zu erkennen oder weil eine bestehende Beziehung entweder getrennt werden soll oder eine Erfahrung machen zu machen ist. Es gibt sicher noch mehr Möglichkeiten, doch als Beispiel soll es genügen. Liebe Sonja, wenn Du nur auf Deinen Bauch hörst ohne dabei gleichzeitig im Herzen zu sein, das ja eine Etage höher angesiedelt ist als der Bauch, wird es so sein, dass Du ins Werten und Wollen kommst. Der Bauch ist nicht neutral und nicht unbedingt klar. Auch das Herz kann Dir etwas über das Bauchgefühl signalisieren, doch ebenso Erinnerungen, die die reale augenblickliche Situation verfärben. Beachten sollst Du Dein Bauchgefühl in jedem Fall. Es ist äußerst wichtig, um in Deiner Entwicklung voran zu kommen und auch auf reale Gefahren rechtzeitig zu reagieren. Es präsentiert Dir ebenfalls Deine Schwächen und Stärken. Das Herz zeigt Dir, was Du nähren sollst und was aufzulösen ist. Der Bauch präsentiert Dir Deine Gespaltenheit und Dein Gefühl von Trennung. Das Herz führt Dich in die Ganzheit. Weißt Du, liebe Sonja, Emotionen sind etwas sehr schnelllebiges. Genauso schnell wie sie auftauchen, können sie untergehen. Du kannst sie erzeugen und dann gleich wieder neue erzeugen. Frag mal einen guten Schauspieler. Er beschäftigt sich mit einer bestimmten Rolle, die er in einem Film spielen soll. Dann zieht er sich ein bestimmtes Kostüm dafür an. Er schlüpft in Rolle, Kostüm und dazugehörige Emotionen. Er ist sich dessen bewusst und damit richtet er damit keinen Schaden an und bringt auch in der Rolle als Bösewicht nichtwirklich jemanden im Film um. Am Abend nach getaner Arbeit legt er die Rolle wieder ab mitsamt den Emotionen. Ein guter Schauspieler hat trotz, dass er die Emotionen perfekt spielen kann, sie ausdrücken kann Abstand von ihnen. Er weiß, dass er nicht das ist, was sich durch ihn, was er durch die angenommene Rolle gerade ausdrückt. Eine Woche später spielt er vielleicht eine ganz andere Rolle mit ganz entgegengesetzten Emotionen. Emotionen sind etwas, das sich in uns abspielt, doch wir sind nicht unsere Emotionen. Sie sind durch die Rolle entstanden, zu der wir erzogen und geprägt worden sind und mit der wir uns inzwischen identifizieren. Das Herz will uns immer wieder da heraus erlösen und versucht uns aufzuwecken, dass wir das erkennen. Es unterstützt Prozesse, die uns in sehr tief empfundene Emotionen führen, um dadurch verborgene Muster aufzulösen und uns von unseren Fesseln zu befreien.
Von Herzen Malina
"Im Wassermann - Zeitalter beginnen die Menschen, den Blick nach innen zu richten. Sie erkennen Ihre Fähigkeit, sich selbst zu erlösen.".S. 217
Louise L. Hay "Wahre Kraft kommt von innen" Allegria Verlag
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"Die ganze Lebenskkunst für den neuen Menschen besteht also in dem Geheimnis, auf das Herz zu hören - bewusst, wach und aufmerksam und ihm zu folgen um jeden Preis, und hinzugehen, wo auch immer es dich hinträgt." S. 50
OSHO "Schicksal, Freiheit und die Seele" Goldmann Verlag |